Sigmar Gabriel informierte sich über Optionen für Braunkohle als Chemierohstoff.

Frank Löllgen (IGBCE), Sigmar Gabriel MdB, Guido van den Berg MdL und Rüdiger Neil (RWE-Betriebsrat)
Die Tagesschau am 13.01.2016 brachte Bilder vom Besuch
Ute Meiers, Helga Kühn-Mengel MdB, Sigmar Gabriel MdB, Dierk Timm, Dagmar Andres MdL und Rainer Thiel MdL

Zahlreiche Bundes- und Landespolitiker der SPD erklärten bei dem Besuch, dass man Sigmar Gabriel sehr dankbar sei, dass sein Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einen Synthese-Teststand am Standort Niederaußem über die Förderplattform COORETEC finanziell unterstützt hat. Das Kooperationsprojekt ‚Fabiene‘ der RWE Power, ThyssenKrupp Industrial Solutions AG und der Technischen Universität (TU) Darmstadt erprobt und optimiert aktuell in Niederaußem die Synthese verschiedener Produkte (Naptha, Wachse, Treibstoffe) aus rheinischer Braunkohle.

Synthese-Teststand als erster Baustein für ein Forschungs- und Entwicklungszentrum?

Nach Ansicht des SPD-Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Guido van den Berg müsse jetzt die Chance ergriffen werden, den Teststand als Auftakt für die Errichtung eines Forschungszentrums für Braunkohle als Chemierohstoff zu entwickeln: „Der Zeitpunkt ist ideal. Nach der Neustrukturierung des RWE-Konzerns muss jetzt eine Antwort gegeben werden, ob man künftig in der Verstromung nicht mehr gebrauchte Kohlemengen, klimafreundlicher nutzen kann. Mit dem überparteilichen Votum für einen Lehrstuhl zu dem Thema, hat die Landtags-Enquetekommission zur Zukunft der Chemischen Industrie in NRW, einen deutlichen politischen Willen formuliert. Ich fände es klasse, wenn Niederaußem ein universitärer Forschungsstandort einer anerkannten Chemie-Fakultät aus NRW wird und will mich dafür gerne einsetzten.“

Zum Abschluss des Besuchs überreichte Guido van den Berg einige Chemie-Produkte der Fa. Humintech aus Grevenbroich, die bereits heute spezielle Huminstoffe aus Braunkohle herstellen, an Sigmar Gabriel. Huminstoffe können dazu genutzt werden, karge, sandige Böden wieder zu reaktivieren und eine Humusbildung in Gang zu setzten.

A) Hintergrund zum Thema Synthese-Teststand:

Seit dem Frühjahr 2016 finden im Synthese-Teststand von RWE in Niederaußem Benchmark-Versuche mit künstlich zusammengemischtem Synthesegas aus Gasflaschen statt. Dieser Teststand bildet die künftigen großtechnischen Synthesen im Labormaßstab ab. Seit 2013 befindet er sich in einem 40-Fuß-Standardcontainer am Kraftwerk Niederaußem.

In Zukunft soll er die Anlagen der Projektpartner ergänzen, die aus Wirbelschichtvergasern und einer Gasaufbereitung bestehen. Somit wird die Coal-to-Liquids-Prozesskette vervollständigt, in dem aus Braunkohle erzeugtes Synthesegas im Teststand verarbeitet wird: Das Synthesegas aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff wird mit Hilfe von Katalysatoren genutzt um bestimmte Produkte zu erhalten. Das Anwendungsspektrum reicht von Vorprodukten für Kunststoffe, Klebstoffe, Farben und Kosmetika bis zu hochwertigen Treibstoffen. Der Bodenschatz Braunkohle kann also Basis für Ausgangsstoffe, die in der (petro-)chemischen Industrie verwendet werden, sein. Dieses enorme Potential der Braunkohle, neben ihrer Funktion als Energieträger, als Kohlenstoffträger in der Chemie, wird durch die Förderung des Bundesministeriums unterstrichen.

Das Kooperationsprojekt „Fabiene“ läuft bis 2021 und hat ein Gesamtvolumen von knapp zehn Millionen Euro, welche vor allem Forschungseinrichtungen zu Gute kommt. COORETEC ist eine inzwischen dreizehn Jahre bestehende Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Die Initiative ist Teil des sechsten Energieforschungsprogramms „Forschung für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung" der Bundesregierung. Die Förderung von Forschung und Entwicklung CO2-emissionsarmer Kraftwerkstechnologien leistet einen wichtigen Beitrag für eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung. Damit unterstützt COORETEC die energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung.

B) Hintergrundinformation zur Enquetekommission zur Zukunft der Chemieindustrie in NRW

In der Zeit von April 2013 bis Mai 2015 hat eine Enquetekommission des NRW-Landtags sich mit der Zukunft der Chemie-Industrie in ihrem Bundesland beschäftigt. Es sollten Handlungsvorschläge entwickelt werden, den Chemiestandort NRW zu sichern und mit Blick auf globale Herausforderungen zu stärken. Am Schluss stand ein rund 500 Seiten starker Abschlussbericht mit insgesamt 58 Handlungsempfehlungen. Beachtlich war, dass es der Kommission gelungen war, alle politischen Fraktionen (SPD, CDU, GRÜNE, FDP und PIRATEN) zu einem einstimmigen Votum zu bewegen.

In einem eigenen Kapitel und mit einem speziellen Fachgutachten, dass man erstellen ließ, widmete sich der Abschlussbericht auch der Frage einer alternativen Nutzung von Braunkohle als Chemierohstoff.
Bei den Handlungsempfehlungen wird angeregt, eine Pilotanlage zur stofflichen Umwandlung von Kohle in Plattformchemikalien zu fördern (Handlungsempfehlung 8) und eine wissenschaftliche Begleitung durch die Schaffung eines Lehrstuhls der Verfahrenstechnik zum Themengebiet der stoffliche Nutzung von Braunkohle und organischen Reststoffen (Handlungsempfehlung 24) sicher zu stellen. Der Abgeordnete Guido van den Berg war Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in der Enquetekommission.

Die Deutsche Presseagentur meldet am 13.01.2017, um 18.58 Uhr: dpa: Gabriel warnt vor politischem Überbieten bei Braunkohle-Ausstieg folgendes:

"Bergheim (dpa/lnw) – Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat vor einem politischen Bieterwettkampf um ein Ausstiegsdatum aus der Braunkohle gewarnt. «Ich halte das, was derzeit da öffentlich debattiert wird – mit «2025 müssen wir aus der Braunkohle raus sein» – für völlig illusorisch», sagte der SPD-Chef am Freitag in Bergheim bei Köln. Er fände es glaubwürdiger, ein Datum festzulegen, an dem geprüft werde, wie weit man etwa beim Aufbau von Ersatzarbeitsplätzen und bei der Energiewende gekommen sei. Dafür nannte er das Jahr 2030. Von einer «Jagd auf Ausstiegsdaten» halte er hingegen nichts.

Gabriel hatte zuvor das Braunkohlegroßkraftwerk Niederaußem in Bergheim besucht. In Nordrhein-Westfalen und der Lausitz hängen Tausende Jobs am Braunkohle-Tagebau. Im November hatte etwa ein Bundesparteitag der Grünen 2025 als Zielmarke für den Kohleausstieg gesetzt. Am Freitag machte sich die Grünen-Bundestagsfraktion dafür stark, spätestens bis 2037 komplett aus der Braunkohle auszusteigen.

Der Ausstieg aus der Atomenergie sei bereits eine «Operation am offenen Herzen» gewesen, betonte Gabriel. «So ein Experiment darf man in einer Volkswirtschaft auch nicht ständig wiederholen», sagte er. Natürlich wolle man die Ziele beim Klimaschutz einhalten. «Aber wir müssen den Beschäftigten signalisieren, dass wir sie wertschätzen, dass wir nicht den Eindruck vermitteln wollen, dass sie auf der falschen Seite der Geschichte stehen.»"

Der Kölner Stadt Anzeiger bzw. die Kölnische Rundschau berichtet am 14.01.2017 in einem Artikel von Bernd Ruprecht und Manfred Funken: "Gabriel hält an Braunkohlestrom fest. Der SPD-Spitzenpolitiker besuchte das Kraftwerk Niederaußem." :

"An einem Wettkampf um den frühesten Termin für den Ausstieg aus der Braukohle will sich Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie sowie SPD-Bundesvorsitzender, nicht beteiligen. Bei einer Pressekonferenz im Kraftwerk Niederaußem nannte er 2030 als richtigen Zeitpunkt für eine Überprüfung, ob eine Energieversorgung mit weniger oder gar ohne Braunkohle-Verstromung möglich sei. Den gleichzeitigen Ausstieg aus der Atomkraft und aus der Braunkohle halte er nicht für möglich, betonte Gabriel. Die Braunkohle sei unverzichtbar, „um den eingeschlagenen Weg zur Energiewende vernünftig zu Ende zu bringen". Er wisse nicht, wie schnell die erneuerbaren Energien die konventionelle Erzeugung ersetzen könnten. „Bisher ist es uns ja noch nicht einmal gelungen, die dafür unbedingt notwendigen Leitungen zu bauen", gab er zu bedenken. Ist ein Zuwarten bis 2030 angesichts der rasanten Entwicklung auf dem Energiemarkt nicht kontraproduktiv für einen geordneten Strukturwandel? „Natürlich wandelt sich die Welt in einem enormen Tempo, allein schon durch die Digitalisierung der Industrie. Und natürlich müssen wir weiter an neuen Technologien und neuen Arbeitsplätzen arbeiten. Da dürfen wir nicht mehr abwarten", sagte Gabriel. 2030 aber sei aus seiner Sicht der richtige Zeitpunkt, um hinzuschauen, wie weit es denn schon gelungen sei. Gabriel lobte die Bergleute und Kraftwerker, die über Jahrzehnte mit Können und Engagement eine sichere Energieversorgung gewährleistet hätten. „Die haben einen guten Job gemacht, und den machen sie heute noch", fasste er zusammen.

Lehrstuhl für stoffliche Nutzung

In seinem Gespräch mit Führungskräften und Betriebsräten des Unternehmens habe er auch mehr erfahren über den Ansatz, die Braunkohle als Rohstoff für die chemische Industrie zu nutzen. Nach seinem Eindruck unternehme RWE große Anstrengungen, um die Entwicklung in diese Richtung voranzutreiben. Sigmar Gabriel hatte kurz Gelegenheit, den Teststand zur Herstellung von Synthesegas am Kraftwerk Niederaußem zu besichtigen. Der SPD-Spitzenpolitiker und Bundeswirtschaftsminister war bei seinem Besuch in Niederaußem umgeben von einem Tross von SPD-Politikern aus der Region. Der Landtagsabgeordnete Guido van den Berg, der die Pressekonferenz moderierte, forderte die Einrichtung eines universitären Forschungszentrums für die stoffliche Nutzung der Braunkohle am Standort. Der Landtag habe ja bereits einen einstimmigen Beschluss für die Einrichtung eines Lehrstuhls zu diesem Thema gefasst."

Lesen Sie hier den Bericht: "Sigmar Gabriel dankte den Bergleuten" von Markus Clemens in der Werbepost vom 18.01.2017:

"Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, war zu Gast im Kraftwerk Niederaußem. Zusammen mit einer Gruppe von SPD-Politikern aus der Region informierte er sich besonders über den Teststand über die Herstellung von Synthesegas und anderer chemischer Produkte aus Braunkohle. „Das ist eine klasse Idee“, lobte der Minister das Projekt. Mehr noch allerdings lag ihm offenbar die Stimmung in der Belegschaft am Herzen. „Natürlich haben wir auch über die Sorgen der Mitarbeiter gesprochen“, betonte er gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden Rüdiger Neil und dem IGBCE-Bezirkssekretär Frank Löllgen.

Im Rahmen einer Pressekonferenz nannte er das Jahr 2030 als den richtigen Zeitpunkt, um über die weitere Zukunft der Braunkohle nachzudenken. An einem Wettkampf über den frühest möglichen Ausstieg der aus der Braunkohle wolle er sich nicht beteiligen. „Unmöglich“ sei ein gleichzeitiges Ende der Braunkohle und der Atomenergie. „Wir müssen aufhören, den Klimaschutz und die Braunkohle gegeneinander auszuspielen“, sagte der Minister. Er appellierte dafür, „die Bergleute fair zu behandeln“. Der Klimaschutz sei wichtig, das langfristige Ziel sei eine 100-prozentige Gewinnung von Strom aus regenerativer Energie. Zuvor müsse man aber auch über Alternativen für die Menschen suchen, die heute noch mit der Braunkohle arbeiten würden. „Die Menschen haben jahrzehntelang einen guten Job gemacht und das machen sie auch heute noch.“ Schließlich habe man den Bergleuten die sichere und zuverlässige Versorgung mit Energie in der Vergangenheit zu verdanken.

Gemeinsam mit dem SPD-Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Guido van den Berg will sich Gabriel für die Einrichtung eines Forschungsstandortes für Braunkohle als Chemierohstoff in Niederaußem einsetzen. Dafür sei der Teststand ein idealer Auftakt. „Der Zeitpunkt ist ideal. Nach der Neustrukturierung von RWE muss eine Antwort gegeben werden, ob man künftig die in der Verstromung nicht mehr benötigten Kohlemengen klimafreundlicher nutzen kann.“ Er fände es „klasse, wenn Niederaußem ein universitärer Forschungsstandort einer anerkannten Chemiefakultät aus NRW wird“, sagte van den Berg. Der Landtag habe sich ja bereits einstimmig für die Errichtung eines solchen Lehrstuhls ausgesprochen."

Die Rheinische Post berichtet am 14.01.2017 im Artikel: "Gabriel: Kein Wettlauf bei Kohle-Aus. Wie lange soll noch Braunkohle gefördert werden? Der Vizekanzler will sich nicht festlegen – geht aber schon jetzt auf Distanz zu den Grünen." von Kirsten Bialdiga:

In der Frage des Ausstiegs aus der Braunkohle will sich SPD-Parteichef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nicht auf einen fixen Ausstiegszeitpunkt festlegen. „Ich halte nichts von dieser Jagd auf Ausstiegsdaten", sagte Gabriel gestern Abend bei einem Besuch des RWE-Braunkohlekraftwerks in Bergheim-Niederaußem. Ein präzises Jahr sei aus heutiger Sicht nicht seriös zu benennen, da es zu viele Einflussfaktoren gebe. Die Festlegung auf ein Datum könne zudem leicht zu einem Überbietungswettbewerb führen. Gabriel geht damit auf Distanz zu den Grünen, die sich nach dem Willen der Bundestagsfraktion ihrer Partei innerhalb der kommenden 20 Jahre von der Kohleverstromung verabschieden wollen. Als Enddatum peilt die Fraktion das Jahr 2037 an, der Bundesparteitag hatte das Jahr 2025 als Zielmarke genannt. Die Braunkohle ist wegen des potenziellen Konflikts zwischen Umwelt und Arbeitsplätzen im Wahlkampf sowohl für die Grünen als auch für die SPD ein klassisches Thema, um das eigene Parteiprofil zu schärfen. Der Braunkohleausstieg birgt auch in der rot-grünen NRW-Landesregierung immer wieder Konfliktpotenzial. Gabriel sagte gestern in Bergheim, ein Ausstieg aus der Braunkohle bis 2025 sei „völlig illusorisch".

"Ich halte nichts von dieser Jagd auf Ausstiegsdaten" Sigmar Gabriel
SPD-Vorsitzender

Ohnehin werde im Jahr 2030.schon 50 Prozent weniger Braunkohle gefördert, weil große Teile des Tagebaus dann ausgekohlt seien und geschlossen würden. „Wenn das so ist, dann weiß ich nicht, warum man sich mit Jahreszahlen überschlagen muss", sagte Gabriel. Aus seiner Sicht sei es am sinnvollsten, im Jahr 2030 zu überprüfen, wie weit der Aufbau von Ersatzarbeitsplätzen für die Beschäftigten im Braunkohletagebau und die Energiewende dann vorangeschritten seien. Das Ausstiegstempo solle entsprechend angepasst werden. Gabriel beteuerte, die Klimaziele ließen sich auch mit dem von ihm vorgeschlagenen Weg einhalten. Zugleich betonte er, es dürfe den Beschäftigten in der Braunkohle nicht der Eindruck vermittelt werden, sie seien nicht mehr wichtig. „Wir müssen den Beschäftigten signalisieren, dass wir sie wertschätzen, dass wir nicht den Eindruck vermitteln wollen, dass sie auf der falschen Seite der Geschichte stehen." Die fossilen Kraftwerke dürften nicht von heute auf morgen abgeschaltet werden, so der Wirtschaftsminister. Fraktionschef Anton Hofreiter zufolge wollen die Grünen sofort mit dem Kohleausstieg beginnen und die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke, darunter auch Niederaußem, vom Netz nehmen. Gabriel hielt dem entgegen, dass der Ausstieg aus der Atomenergie bereits eine „Operation am offenen Herzen" sei. „So ein Experiment darf man in einer Volkswirtschaft auch nicht ständig wiederholen."