
Auf dem Kreisparteitag erklärte Guido van den Berg, warum er gemeinsam mit Dagmar Andres und Brigitte Dmoch gegen die Garzweiler-Entscheidung in der SPD-Landtagsfraktion gestimmt haben. Guido van den Berg hält die Entscheidung, auf den vierten Abschnitt des Tagesbaus Garzweiler II zu verzichten, für falsch. Er verwies auf Artikel 30 der NRW-Landesverfassung: Die Abgeordneten stimmen nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Volkswohl bestimmten Überzeugung; sie sind an Aufträge nicht gebunden.
Lesen Sie hier den Bericht: Menschlich enttäuscht" von Joachim Röhrig im Kölner-Stadt-Anzeiger vom 31.03.2014:
"Guido van den Berg ist gemeinhin als Politiker bekannt, der gut und gerne redet. Beim außerordentlichen SPD-Kreisparteitag am Samstag in der Martinus-Halle in Bedburg-Kaster allerdings versagte dem sozialdemokratischen Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten mitten in seiner Grundsatzrede fast die Stimme, und man hatte kurzzeitig sogar hatte den Eindruck, der gestandene Genosse kämpfe mit den Tränen. Van den Berg ließ sich ein Glas Wasser bringen, nutzte die kleine Pause, um sich zu sammeln, und fing sich alsbald auch wieder.
Eines war dennoch nicht zu übersehen: Ganz absehen davon, dass er das Vorhaben der rot-grünen Landesregierung, teilweise auf den vierten Abschnitt des Tagebaus Garzweiler II zu verzichten, für grundverkehrt hält, ist van den Berg menschlich enttäuscht und verletzt über die Art und Weise, wie diese überraschende Entscheidung herbeigeführt wurde.
Mit ernster Miene schilderte der Bedburger seinen rund 120 Parteifreunden, wie er in Düsseldorf wochenlang vergeblich versucht habe, an Unterlagen für die nächste Sitzung des Braunkohlenausschusses zu gelangen. Der Ausschuss soll Ende April eine Grundsatzbewertung zur energiepolitischen Notwendigkeit von Garzweiler II vornehmen. In der Staatskanzlei ist man mir immer wieder ausgewichen. Da ist mir allmählich klar geworden, dass offenbar Dinge hinter meinem und den Rücken der anderen Abgeordneten aus dem rheinischen Revier ausgehandelt werden.
In der SPD-Fraktionssitzung am 18. März habe er nochmals kritisch nachgefragt, was in Sachen Garzweiler laufe, sei aber abgebürstet worden. Als schließlich herausgekommen sei, dass der vierte Abschnitt auf der Kippe stehe, habe er in ungezählten Gesprächen letztlich erfolglos versucht, das Ruder noch herumzureißen. Weitere Einzelheiten wollte van den Berg nicht öffentlich, sondern nur parteiintern ohne Beisein der Presse kundtun. Es gibt einiges, was ich lieber nicht laut sagen möchte, so van den Berg.
Immerhin durfte er sich über den Rückhalt der Kreis-Partei freuen. So schloss sich der Parteitag einstimmig einer Erklärung von Guido van den Berg, Dagmar Andres, Brigitte Dmoch-Schweren und drei weiteren SPD-Landtagsabgeordneten aus dem rheinischen Revier an, die das Verzichtsvorhaben als verfrühtes, missverständliches und falsches energiepolitisches Signal kritisieren. Mehrere Redner betonten zudem nachdrücklich, dass die Landesregierung nun in der Pflicht stehe, den anscheinend schneller als erwartet näher rückenden Strukturwandel im Braunkohlenrevier ab sofort deutlich besser zu fördern als bisher geschehen.
Zu denen die sich große Sorgen machen zählt der Hambacher Tagebau-Mitarbeiter Peter Spix: "Viele bei uns haben Angst, dass da irgendwann noch etwas nachkommt.Die Stimmung ist nicht gut; vor allem die Jungen fürchten um ihre Perspektiven." Harald Könen, früher Betriebsratsvorsitzender und jetzt einfacher Mitarbeiter im Kraftwerk Niederaußem, findet die Entscheidung "überhaupt nicht gut. Da fragt man sich, ob den Grünen ein Zückerchen zugeschoben werden sollte. Direkte Auswirkungen aufs Kraftwerk sehe ich aber noch nicht."
Nicht abweichen wollte man mit Blick auf die Kohle auch von den kreispolitischen Leitsätzen zur anstehenden Kommunalwahl. Mit nur wenigen kleinen Änderungen wurde der Programmentwurf unter dem Titel Unser guter Plan: Für Fortschritt und Zusammenhalt im Rhein-Erft-Kreis verabschiedet. Darin wird unter anderem gefordert, zwar nicht um jeden Preis an der Verbrennung der Braunkohle zur Stromerzeugung festzuhalten, die Kohle aber weiterhin in großem Rahmen zu fördern und sie künftig verstärkt als wertvollen Grundstoff für die chemische Industrie einzusetzen.
Bei der Vorstellung des Parteiprogramms präsentierte sich Guido van den Berg dann wieder als Kämpfer. Der Jamaika-Mehrheit im Kreistag warf er Konzeptionslosigkeit beim Strukturwandel und allen anderen großen Herausforderungen vor. Auch die viel gepriesene Schuldenfreiheit des Rhein-Erft-Kreises sei eine Mogelpackung, weil der Kreis die Kreditaufnahmen für Investitionen vermehrt über privatwirtschaftliche Partnerschaftsmodelle abwickle und sie dadurch aus dem offiziellen Haushalt heraushalte. Auch würden die Städte zu stark durch die Kreisumlage belastet, so van den Berg: Der Rhein-Erft-Kreis ist kein sparsamer Kaufmann, sondern ein Taschendieb, der sich bei den Kommunen bedient.
Rosenthal statt Summer
Aus familiären Gründen hat die Bergheimer SPD-Politikerin Silvia Summer ihre Kandidatur für den am 25. Mai zu wählenden neuen Kreistag zurückgezogen. Dadurch wurden sowohl der Bergheimer Wahlkreis 7 als auch der aussichtsreiche Platz vier auf der SPD-Reserveliste frei.
Der Kreisparteitag der Sozialdemokraten in Bedburg wählte die ebenfalls aus der Kreisstadt stammende und dem aktuellen Kreistag bereits angehörende Ute Rosenthal zur neuen Wahlbezirkskandidatin und sprach Rosenthal auch Summers Listenplatz zu."
Lesen Sie hier das Interview: "Jetzt droht ein Strukturbruch" mit Guido van den Berg in der Kölnischen Rundschau vom 01.04.2014:
Guido van den Berg ist SPD-Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter. Er wurde von der Entscheidung der rot-grünen Regierung, den Tagebau zu reduzieren völlig überrascht, musste sie auf dem Kreisparteitag in Bedburg den Genossen aber erklären. Bernd Ruprecht und Franfred Funken sprachen mit ihm über die Situation und mögliche Auswirkungen auf die Kommunalwahl.
Die Braunkohlenindustrie sichert für tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit ihren Familien ein festes Einkommen. Es ist klar, dass sich das Revier in der Energiewende wandeln muss und wandeln wird. Braunkohle kann künftig nur noch die Reserve sein, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Deswegen müssen auch die Kohlemengen in der Verstromung zurückgehen. In den letzten Jahren haben wir – nicht ohne Erfolg – daran gearbeitet, einen geordneten Strukturwandel zu ermöglichen. Ich erinnere an die Einrichtung der Innovationsregion Rheinisches Revier. Jetzt wird der Strukturwandel allerdings deutlich schwieriger und es droht ein Strukturbruch. Ich habe Sorgen, dass unsere Region dadurch schweren Schaden nimmt.
Ich hoffe, dass bei allen Verantwortlichen in Düsseldorf jetzt die Erkenntnis wächst, dass nicht das vorzeitige Ende von tausenden von Arbeitsplätzen verkünden werden darf, ohne den Betroffenen eine angemessene Perspektive zu bieten. Hier werde ich ansetzen und meine Landesregierung in die Pflicht nehmen.
Dazu ist alles gesagt.
Das weiß ich nicht. Ich hatte schließlich am 18. März in der Fraktion konkrete Fragen gestellt. Das führte im Anschluss zu ersten Gesprächen mit der Fraktions- und Regierungsspitze, die mir klar machten, was möglicherweise bevorstand. Ich habe in den dann folgenden 10 Tagen in sehr vielen Gesprächen für eine andere Position geworben.
Hannelore Kraft wollte vor der Sitzung des Braunkohlenausschusses am 28. April rechtzeitig eine klare energiepolitische Bewertung der Landesregierung für den jetzt anstehenden dritten Umsiedlungsabschnitt für den Tagebau abgeben. Das ist ein prinzipiell richtiger und wichtiger Schritt, wenn man einen sozialverträglichen Vorlauf für die Umsiedlung einhalten will.
Ich vermute, dass die Grünen, den jetzt anstehenden dritten Umsiedlungsabschnitt nicht mittragen wollten. Das hätte man aber den Menschen, die seit einigen Monaten auf eine klare Entscheidung warten, nicht zumuten können.
Der Kreisparteitag hat einstimmig begrüßt, dass Brigitte Dmoch, Dagmar Andres und ich gegen die Tagebauverkleinerung gestimmt haben. Ich habe das als Rückenstärkung für unsere Haltung empfunden. Natürlich denke ich sehr kritisch darüber nach, warum unsere Argumente die Entscheidung letztlich nicht verändern konnten.
Die Wählerinnen und Wähler sind kritisch. Sie wissen, wie klar unsere Kreis-SPD positioniert ist. Und die steht mit ihren Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl. Sie wissen auch, dass die CDU bei Garzweiler schon lange wackelt. Erst jüngst hinterfragte der CDU-Abgeordnete Hachen bei der Garzweiler-Debatte im Landtag generell die Notwendigkeit des Tagebaus und erklärte, er habe sich über viele Jahre vehement gegen diesen Tagebau gewehrt und den Widerstand in jeder freien Minute unterstützt. Ich will für das Vertrauen in unsere Kreispartei werben."