Der Landtagsabgeordnete und SPD-Kreisvorsitzende Guido van den Berg hat die Kreisverwaltung um Auskunft zu den Stellungnahmen des Rhein-Erft-Kreises zum aktuellen Verfahren gebeten. Hierbei ist erstaunlicherweise zutage getreten, dass die Bedenken des Arbeitskreises Alt-Kaster inhaltlich auch in der ersten Stellungnahme der Unteren Landschaftsbehörde des Rhein-Erft-Kreises vom 06.11.2009 geteilt wurde. Hier heißt es:
Aus Sicht von Naturschutz und Landschaftspflege, sowie der Erholung ist nämlich ein Heranrücken gewerblicher Bauflächen an den Grünzug mit Kasterer See und Kasterer Mühlenerft, wie von der Stadt Bedburg dargestellt, nicht verträglich. Im Übrigen würde die vorgesehene Lage der Erweiterungsflächen darüber hinausgehende zukünftige Erweiterungen des GIB nahe legen.
Im April des Folgejahres ließ der Rhein-Erft-Kreis seine Bedenken offenbar fallen und hat, wie dem Schreiben vom 08.04.2010 zu entnehmen ist, lediglich Zusagen der Stadt für eine Gehölzeingrünung, die im Bebauungsplan aufgenommen werden soll mitgeteilt.
Interessant an dem Schreiben vom 06.11.2009 ist zudem, dass der Rhein-Erft-Kreis der Stadt Bedburg wohl auch vorgeschlagen hatte alternativ den bisher festgelegten Gehölzstreifen zur Abschirmung und Eingrünung des Gebietes insgesamt nach Westen verschoben wird und die neuen gewerblichen Bauflächen im Bereich der bisherigen Grünflächen dargestellt werden. Die Stadt Bedburg ist jedoch bisher dieser Überlegung nicht gefolgt, weil zu erwarten ist, dass die bestehenden Eigentumsverhältnisse eine zeitnahe Realisierung nicht zulassen. Dies zeigt, dass es offenbar nicht um eine planerische optimierte Lösung ging sondern um eine Lösung zugeschnitten auf Grundstückseigentümer. Planungsprozesse sollten sich aber gerade von letzterem prinzipiell nicht leiten lassen, wenn man sich nicht angreifbar machen will.
Auch die Sichtung der historischen Protokolle zeigt deutlich, dass es bis Mitte der 70er Jahre einen intensiven Abwägungsprozess zum Industriegebiet Mühlenerft gegeben hat. Die Stadt Bedburg bestand seinerzeit auf die Planung eines Gebiets, das industrielle Entwicklung für die Zeit nach der Braunkohle ermöglicht. Das Gelände sollte im Untergrund so beschaffen sein, dass es später einmal schwere Bauten tragen kann (siehe Schreiben des Regierungspräsidenten vom 23.01.1968).
Das Planungsamt des Alt-Kreises Bergheim hält mit Bezug auf eine Besprechung am 17.04.1975 in Hürth am 15.05.1975 fest:
Die Lage des Industriesiedlungsbereichs bei Bedburg-Kaster bedarf im Detail der Abstimmung mit der Gemeinde. Bisherige Planungsvorstellungen gingen davon aus, einen solchen Bereich in größerem Abstand vom Wohnsiedlungsbereich auf der Innenkippe Frimmersdorf-Süd vorzusehen.
Im September 1975 regt der Rhein-Erft-Kreis für den Gebietsentwicklungsplan an:
Unter Beachtung eines Immissionsschutzabstandes zwischen dem neuen Industriesiedlungsbereich und der Ortslage Kaster rege ich eine Verlagerung der Industriesiedlungsbereichsdarstellung nach Norden an. Sie würde dem Zusammenhang des Grünzuges entlang der Erft und zugleich der Ortsrandgestaltung Kaster dienen.
Wie einer Niederschrift der Landesplanungsgemeinschaft Rheinland vom 16.09.1975 zu entnehmen, ist festgelegt worden zwischen Wohnsiedlungsbereich Kaster und dem Industriegebiet eine ca. 500m breite Freizone zu schaffen. In der Stellungnahme des Erftkreises zum Gebietsentwicklungsplan Köln/Umland aus dem Februar 1982 findet sich schließlich die Anregung, den Westrand des zukünftigen Erfttals im Tagebau Frimmersdorf als Erholungsgebiet darzustellen.
Es ist folglich zu erkennen, dass die Flächen und Abstände Teile eines langfristig beratenen Konzeptes waren, das industrielle Nutzung ermöglichen aber auch den Natur- und Erholungsraum schützen sollte.
Die Kölnische Rundschau berichtet am 13.10.2012 über das Gewerbegebiet Mühlenerft im Artikel: "In alten Akten gegraben" von Manfred Funken:
"Ganz allein stehen die Alt-Kasterrt mit ihrer Kritik an der geplanten Erweiterung des Industriegebietes Mühlenerft nicht da. Schon 2009 meldete die Kreisverwaltung erhebliche Bedenken an, die Ackerflächen für eine gewerbliche Ausdehnung zu nutzen.
So ganz allein stehen die Bewohner von Alt-Kaster mit ihrer Kritik an der geplanten Erweiterung des Industriegebietes Mühlenerft offenbar nicht da. Standen sie zumindest nicht: Noch 2009 jedenfalls meldete die Kreisverwaltung erhebliche Bedenken an, die Ackerflächen, die bisher das Industriegebiet vom Naherholungsraum trennen, für eine gewerbliche Ausdehnung zu nutzen.
Aus Sicht von Naturschutz und Landschaftspflege sowie der Erholung ist nämlich ein Heranrücken gewerblicher Bauflächen an den Grünzug mit Kasterer See und Kasterer Mühlenerft, wie von der Stadt Bedburg dargestellt, nicht verträglich, nimmt die Verwaltung im November 2009 bei der Bezirkregierung Stellung. Und im April 2010 führt sie aus, trotz neuer Vorschläge vonseiten der Stadt Bedburg seien die Darlegungen immer noch nicht vollständig befriedigend.
Trotzdem lenkt der Kreis jetzt ein und stimmt einer Änderung des Flächennutzungsplans zu. Dabei wird jedoch die Erwartung gehegt, dass im Rahmen des Planungsverfahrens noch nachgebessert wird.
Wie das geregelt wird, verrät ein weitere Stellungnahme des Kreises bei der Bezirksregierung im Februar 2012. Die Auflagen für die Stadt Bedburg sind nun nicht mehr an das Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplan gebunden, sondern an den Bebauungsplan. Als der schließlich offen gelegt wird, sind im März bei der Kreisverwaltung sämtliche Bedenken ausgeräumt.
Der Rhein-Erft-Kreis habe keine rechtliche Handhabe, eine Änderung des Flächennutzungsplans zu verhindern, erklärt Pressesprecher Patrik Klameth. Wir können Bedenken nur vortragen. Bei der nun gefundenen Lösung zur Erweiterung des Industriegebietes Mühlenerft handelt es sich um einen Kompromiss zwischen den Vorstellungen der Stadt Bedburg und des Rhein-Erft-Kreises. Den kreisseitigen Bedenken sei "im Entwurf des Bebauungsplanes 39b weitgehend Rechnung getragen".
Das ist der normale Weg in einem solchen Verfahren, sagt der Pressesprecher der Stadt Bedburg, Alexander Koehl, schließlich habe die Stadt ja nachgebessert und einen neuen, mit Gehölzen bepflanzten Grünstreifen ins Konzept aufgenommen. Das Industriegebiet rückt 450 Meter näher an den Kasterer See heran, der neue Gehölzsaum soll fünf Meter breit werden.
Die Aktenlage ermittelt und neu zusammengestellt hat der Bedburger Stadtvertreter und Landtagsabgeordnete Guido van den Berg (SPD). Er zieht aus dem gesamten Schriftverkehr die Folgerung, dass die Stadt Bedburg der anfangs vom Kreis vorgeschlagenen Alternative, das Industriegebiet im Westen zu erweitern, nicht gefolgt ist, weil dort die Eigentumsverhältnisse für Verzögerung sorgen könnten. Dies zeigt, dass es offenbar nicht um eine planerisch optimierte Lösung geht, sondern um eine Lösung zugeschnitten auf Grundstückseigentümer, schreibt van den Berg.
Er ist auch noch einmal tief in die Historie eingetaucht und hat eine Niederschrift der Landesplanungsgemeinschaft Rheinland aus dem Jahr 1975 ausgegraben. Dort heißt es zur Erörterung des Gebietsentwicklungsplans Teilabschnitt Erfttal, dass zwischen Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereich und dem Wohnsiedlungsbereich Kaster eine 500 Meter breite Freizone verbleibt. Offenbar seien Flächen und Abstände sowie der Schutz des Natur- und Erholungsraums Teil eines langfristig angelegten Konzepts gewesen, folgert van den Berg aus seinen Recherchen."