
Franz Müntefering brachte den Saal auf Wahlkampfstimmung, dann entscheieden die Mitglieder der Rhein-Erft SPD, mit welchem Kandidaten sie in die Wahl am 13. Mai 2012 gehen wollen. Guido van den Berg wurde für Bedburg, Bergheim, Elsdorf und Pulheim aufgestellt, Brigitte D’Moch-Schweren setzte sich für Hürth, die Großteile von Kerpen und Dagmar Andres geht für Brühl, Erftstadt, die Kerpener Stadtteile Balkhausen, Brüggen, Türnich und Wesseling ins Rennen.
Lesen Sie hier den Bericht: "An der Spitze herrscht jetzt Klarheit" zum Kreisparteitag der SPD von Ingo Schmitz vom 26.03.2012:
"Franz Müntefering war dafür zuständig, die Seele zu stärken, Richard Clayderman wohl dafür, die Gemüter zu beruhigen. Das eine war notwendig, um für den Wahlkampf fit zu machen. Das andere, um die Wogen zu glätten. Sorgte doch im Vorfeld zum Kreisparteitag der SPD die ein oder andere Kandidatenbenennung für die Landtagswahl am 13. Mai für Unruhe an der Basis. Nun sollte auf dem Parteitag Klarheit geschafften und Zusammenhalt demonstriert werden. Am Ende machten dann Brigitte Dmoch-Schweren, Dagmar Andres und Guido van den berg das Rennen.
Nicht mehr Delegierte, wie noch vor rund zwei Jahren, sondern die Mitglieder hatten die Wahl. 320 von ihnen strömten ins Auditorium der Kerpener Europaschule. Die erste Woge war wegen einer Entscheidung entstanden, die in einem Badezimmer getroffen wurde. Dort will Gabi Frechen spontan die Idee gekommen sein, im Landtagswahlkreis 6 (Frechen, Hürth, Kerpen ohne Türnich) zu kandidieren. Bisher war die Hütherin für die Bundestagswahl abonniert. Überrascht von der Entscheidung war vor allem der Frechener Ortsverband, der erneut seine Kandidatin Brigitte Dmoch-Schweren ins Rennen schickte. Konkurrenz gehört zur Demokratie.
Dass den Frechenern aber so völlig unvermittelt eine so prominente Konkurrenz aus der Nachbarschaft erwuchs, wurde dann doch als Affront empfunden. Außer Frage stand, dass für den Wahlkreis 7 (Brühl, Erftstadt, Wesseling, Stadtteile von Kerpen) wieder der Erftstädter Ortsverbandsvorsitzende Uwe Wegner antritt. Aber auch ihm erwuchs unerwartete Konkurrenz aus sehr großer Nähe. Vor wenigen Tagen meldete aus dem Erftstädter Parteivorstand Dagmar Andres Interesse an. Völlig unaufgeregt ging es allein im Wahlkreis 5 (Bergheim, Bedburg, Elsdorf, Pulheim) zu. Kreisparteivorsitzender Guido van den Berg bewirbt sich dort allein.
Zunächst stimmte Müntefering, der Betreuungsabgeordnete für den Rhein-Erft-Kreis im Bundestag, auf den Wahlkampf ein. Wichtigstes Thema dabei: faire Löhne. Nach sechs Tagen sieht auch ein Ackermann nicht mehr lecker aus, wenn er keinen hat, der ihm die Haare schneidet und die Wäsche macht. Das kommt an, das löst Emotionen aus. Emotionen löste auch die Rede von Gabi Frechen aus. Zuerst versicherte sie, dass sie von den Ereignissen in Düsseldorf vollkommen überrascht worden und dass ihre Entscheidung für die Kandidatur spontan gefallen sei um dann Fehler im Verfahren und in der Kommunikation einzuräumen. Da herrschte noch Ruhe. Doch dann beteuerte sie: Die Bundestagsabgeordnete Gabi Frechen wird es nicht mehr geben, und euch, Genossen aus Frechen, bitte ich um Entschuldigung. Gemurmel, Unmutsbezeugungen.
Demonstrative Einigkeit dagegen bei den beiden Kandidaten aus Erftstadt. Warum zwei Kandidaten?, fragte Andres rhetorisch. In der Kürze der Zeit konnten wir das nicht auf einem Ortsparteitag klären, so ihre Antwort. Wegner übte den Schulterschluss: Entscheidend ist, dass wir gemeinsam die Kraftanstrengung unternehmen. Was beide verschwiegen: Wenige Tage zuvor sollte die Doppelkandidatur in einer offenen Vorstandssitzung in Erftstadt geklärt werden. Das Parteibüro war voll. Die Mitglieder diskutierten engagiert, der Vorstand schwieg. Zu einer Abstimmung über die Kandidaten kam es nicht. Zu groß war die Angst vor einem Riss in der Partei.
Doch die Zerreißprobe ist noch nicht ausgestanden, schaut man auf die Ergebnisse: Von 320 Stimmberechtigten wählten bei neun Enthaltungen und einer ungültigen Stimme 229 Dagmar Andres. Uwe Wegner erhielt nur 81 Stimmen. Gabi Frechen konnte ihre Popularität nicht gewinnbringend einsetzen. Bei sechs Enthaltungen stimmten 117 Mitglieder für sie, jedoch 197 für Dmoch-Schweren. Die Gewinnerin war überglücklich. Gegen Guido van den Berg sprachen sich lediglich 23 Genossen aus. 17 enthielten sich. 280 stärkten ihm den Rücken."
Lesen Sie hier das Interview: Es war ein fairer innerparteilicher Wahlkampf aus der Kölnischen Rundschau vom 26.03.2012:
Guido van den Berg ist Vorsitzender der SPD im Rhein-Erft- Kreis. Ingo Schmitz sprach mit ihm über die bevorstehende Landtagswahl und die Nominierung der Kandidaten.
Die Minderheitsregierung habe der Demokratie gut getan, haben sie in Ihrer Rede gesagt. Aber bietet die Neuwahl nicht die Gelegenheit, die Mehrheitsverhältnisse zu klären?
Klar, wir wollen jetzt aus der Minderheitsregierung eine Mehrheitsregierung machen. Die Chancen stehen ja auch nicht schlecht dafür. Trotzdem kann man aber auch mal Danke an die anderen sagen. Die CDU hat beim Schulkompromiss mitgemacht, die Linke bei den Studiengebühren und die FDP hat uns bei den Kommunalfinanzen geholfen.
Durch die Kandidatenaufstellung hat es Unruhe an der Basis gegeben. Wird jetzt nach der Wahl wieder Ruhe einkehren?
Demokratie heißt nicht, dass alles ruhig sein soll. Da gehört Diskussion und auch ein bisschen Streit dazu. Das war aber ein ganz fairer innerparteilicher Wahlkampf. Es gab keine Absprachen zwischen den Ortsvereinen. Die Mitglieder haben heute in großer Zahl entschieden.
In 50 Tagen ist Wahl. Reicht das für einen ordentlichen Wahlkampf?
Das ist ambitioniert. Wir haben direkt losgelegt. Die Termine stehen, die Wahlplakate kommen und wir werden jetzt die Zeit für Gespräche in den Vereinen, in der Nachbarschaft nutzen und dafür werben, Hannelore Kraft zu wählen und nicht jemanden, der lieber in Berlin bleiben will."
Lesen Sie hier den Bericht: "Klarer Sieg von Dmoch-Schweren" von Joachim Röhrig im Kölner Stadt Anzeiger vom 26.03.2012
"Kerpens Bürgermeisterin Marlies Sieburg ist es leid: Wenn ich das für Kerpen zuständige Landtagsmitglied sprechen möchte, will nicht länger darauf angewiesen sein, dass die Frau mit dem schwarzen Parteibuch mir einen Termin gibt. Ich möchte endlich eine Abgeordnete aus meiner eigenen Partei in Düsseldorf haben, gab die Sozialdemokratin ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sich die Verhältnisse im Landtag, wo alle drei Rhein-Erft-Wahlkreise zuletzt von CDU-Leuten vertreten wurden, mit der NRW-Wahl am 13. Mai zu Gunsten der SPD ändern mögen.
Ob es klappt mit dem Wechsel bleibt abzuwarten. Eines ist allerdings schon klar: Ihre Wunsch-Abgeordnete wird Sieburg nicht bekommen. Denn das wäre, wie die Bürgermeisterin am Samstag in ihrem Grußwort beim SPD-Kreisparteitag im Europa-Gymnasium vorsichtig andeutete, wohl Gabi Frechen gewesen. Doch die frühere Bundestagsabgeordnete aus Hürth hat bei der Nominierung der SPD-Wahlkreiskandidaten den Kürzeren gezogen und zwar überraschend deutlich: Nur 117 von 320 Genossinnen und Genossen aus den 20 insgesamt knapp 2900 Mitglieder starken SPD-Ortsvereinen im Kreisgebiet stimmten für Gabi Frechen als Landtagskandidatin. Hingegen votierten (bei sechs Enthaltungen) 197 Parteimitglieder dafür, dass Brigitte Dmoch-Schweren aus Frechen am 13. Mai im Wahlkreis Rhein-Erft II (Hürth, Frechen, große Teile von Kerpen) für die SPD antreten soll voraussichtlich wieder gegen die bisherige CDU-Landtagsabgeordnete Rita Klöpper. Die hatte Dmoch-Schweren schon 2010 herausgefordert und am Ende mit 120 Stimmen Rückstand nur ganz knapp verloren.
Im nördlichen Wahlkreis Rhein-Erft I (Pulheim, Bergheim, Bedburg, Elsdorf) geht der SPD-Kreisvorsitzende Guido van den Berg bereits zum dritten Mal ins Rennen. Er hatte keine Gegenkandidaten und erhielt satte 280 Ja-Stimmen bei 17 Enthaltungen und 23-Nein-Stimmen. Für die Kandidatur im Süden (Brühl, Erftstadt, Wesseling, Teile von Kerpen) gabs ein Erftstädter Duell, in dem sich die stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende Dagmar Andres klar mit 229 zu 81 Stimmen gegen den OV-Vorsitzenden Uwe Wegner durchsetzte.
Thema des Tages war aber der Abgang von Gabi Frechen, die Brigitte Dmoch-Schweren zwar noch als Erste gratulierte, den Parteitag aber unmittelbar nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses verließ. Sie habe ihre Kandidatur nicht als innerparteilichen Kampf gegen Dmoch-Schweren verstanden, sondern sei einfach aus der Überzeugung heraus angetreten, mit all ihrer bundespolitischen Erfahrung und ihrem Bekanntheitsgrad unterm Strich mehr für SPD herausholen zu können als die Genossin aus Frechen.
Ich bin jetzt aber gar nicht groß enttäuscht, sondern wünsche Brigitte von Herzen alles Gute im Wahlkampf, so Frechen, die dem Kölner Stadt-Anzeiger gegenüber erklärte, sich nun definitiv und endgültig aus der Politik auf höheren Ebenen zu verabschieden: Für mich wars das jetzt. Ehrenamtliche Politik auf kommunaler Ebene mache ich natürlich weiter, aber die Berufspolitik ist für mich kein Thema mehr. Und niemand soll versuchen, mich noch mal zu irgendwas zu überreden. Im Übrigen habe sie nach der Bekanntgabe ihrer Kandidatur auch einige sehr unerfreuliche Erfahrungen machen müssen. Es habe Reaktionen gegeben, die schon heftig waren, so Frechen, so etwas muss ich wirklich nicht mehr haben.
Ansonsten war der Parteitag von Aufbruchstimmung geprägt, wozu nicht zuletzt der frühere Bundesparteichef Franz Müntefering als Gastredner beitrug. Ebenso wie die fünf Wahlkreisbewerber in ihren Vorstellungsreden schwor auch er die Parteifreunde darauf ein, im kurzen Wahlkampf alle Kräfte für Hannelore Kraft zu bündeln: Sie kann das, denn sie trägt Nordrhein-Westfalen wirklich im Herzen.
Lesen Sie hier das Interview Eine Spur authentischer und überzeugender des Kölner Stadt Anzeigers mit Guido van den Berg vom 26.03.2012:
"Herr van den Berg, wie überrascht waren Sie über die doch sehr spontane Kandidatur von Gabi Frechen?
Guido van den Berg: Ich war überrascht, aber keineswegs unangenehm überrascht. Es tut der innerparteilichen Demokratie immer gut, wenn es nicht nur einen Kandidaten gibt, sondern die Mitglieder die Möglichkeit haben, aus mehreren starken Bewerberinnen und Bewerbern den oder die Beste auszuwählen.
Weshalb hat sich Brigitte Dmoch-Schweren am Ende unerwartet deutlich durchgesetzt?
van den Berg: Nach meinem Eindruck ist sie in ihrer Vorstellungsrede bei den Mitgliedern eine Spur authentischer und überzeugender rübergekommen als Gabi Frechen. Auch waren wohl viele Genossinnen und Genossen der Meinung, dass Brigitte Dmoch-Schweren nach ihrer ja nur hauchdünnen Niederlage gegen die CDU-Kandidatin Rita Klöpper bei der Landtagswahl 2010 jetzt einfach eine weitere Chance verdient hat und dass sie es diesmal wirklich packen kann. Gabi Frechen hingegen hat es bei all ihrer unbestrittenen Kompetenz und bundespolitischen Erfahrung in der Kürze der Zeit offenbar nicht geschafft zu verdeutlichen, weshalb und warum es sie denn nun so plötzlich nach Düsseldorf statt nach Berlin zieht.
Wie groß ist Ihr Frust darüber, dass die Rhein-Erft-SPD in den vergangenen zwei Jahren im Düsseldorfer Landtag nicht vertreten war?
van den Berg: Der Frust war sicherlich da, aber spätestens seit diesem von ganz starker Aufbruchstimmung geprägten Kreisparteitag ist er wie weggeblasen. Ich bin sicher, dass wir in nächsten Landtag wieder dabei sein werden. Und wir haben beste Chancen, diesmal sogar alle drei Wahlkreis im Rhein-Erft-kreis direkt zu gewinnen.
Was macht Sie da so optimistisch?
van den Berg: Zum einen hat die NRW-SPD mit Hannelore Kraft eine Spitzenkandidatin, die das Land als Ministerpräsidentin trotz der schwierigen Ausgangslage in einer Minderheitsregierung ein gutes Stück nach vorn gebracht hat. Hannelore Kraft ist Nordrhein-Westfälin mit Leib und Seele, während ihr CDU-Herausforderer anscheinend selber nicht weiß, wo er denn nun eigentlich hin will. Und hier im Kreis trifft eine bestens aufgestellte SPD mit einem starken Team auf eine Kreis-CDU, bei der schon gewisse Zerfallserscheinungen zu beobachten sind. Es spricht vieles für uns, und wir sind fest entschlossen, unsere Chance am 13. Mai zu nutzen.
Das Gespräch führte Joachim Röhrig"
Lesen Sie hier den Kommentar "Überrascht und irritiert" von Joachim Röhrig im Kölner-Stadt Anzeiger vom 26.03.2012:
"Gabi Frechen hat eine bittere Quittung für die Fehleinschätzung ihrer Chancen bekommen. Sich nun endgültig aus der großen Politik zu verabschieden, ist immerhin konsequent. Sie hätte allerdings einen schöneren Abgang verdient gehabt.
Seit 30 Jahren ist Gabi Frechen nun schon SPD-Mitglied und hat in dieser Zeit zumeist erfolgreich auch innerparteilich ungezählte Wahlschlachten geschlagen. Wer es von der Vorsitzenden des kleinen SPD-Distrikts Hürth-Efferen bis zur Bundestagsabgeordneten gebracht und im Laufe einer langen Politkarriere Dutzende von Ämtern und Funktionen bekleidet hat, der sollte die Befindlichkeiten innerhalb der eigenen Partei eigentlich ganz genau kennen und diese auch richtig einzuschätzen können.
So gesehen hätte Gabi Frechen wissen müssen, dass ihre Spontan-Kandidatur für einen Landtagswahlkreis viele Genossinnen und Genossen nicht nur überraschen, sondern deutlich irritieren würde. Den Hut in ebenso fröhlicher wie überheblicher Hoppla-jetzt komm-ich-Manier ganze vier Tage vor dem entscheidenden Parteitag in den Ring zu werfen und dann auch noch flapsig kundzutun, dass ihr die Idee ganz plötzlich und unerwartet im Badezimmer in den Kopf geschossen sei das kommt bei der Parteibasis einfach nicht gut an. Die Leute dort wollen gefragt, informiert und überzeugt werden.
Was sie nicht wollen ist, aus der Zeitung zu erfahren, dass jemand, der gerade noch unbedingt zurück nach Berlin wollte, sich nun auf einmal in Düsseldorf verliebt haben will. Da fühlen sich viele einfache Mitglieder verständlicherweise nicht ernst genommen. Nicht wenige Sozialdemokraten dürften Frechens Kandidatur auch als unfreundlichen Akt gegenüber Brigitte Dmoch-Schweren empfunden haben.
Wer die vorige Landtagswahl so knapp und unglücklich verloren hat wie Dmoch-Schweren gegen CDU-Frau Rita Klöpper, dem gönnt die Basis allein schon aus Solidarität von Herzen die zweite Chance. Ihr diese Chance ohne Not verbauen zu wollen, gesteht man bei aller Hochachtung vor ihrer Kompetenz und ihrem jahrzehntelangen Engagement für die SPD auch einer Gabi Frechen nicht ohne Weiteres zu.
All dies scheint die allzu selbstsichere Hürtherin nicht bedacht zu haben. Die bittere Quittung für diese Fehleinschätzungen hat Gabi Frechen nun bekommen. Sich nun endgültig aus der großen Politik zu verabschieden, ist immerhin konsequent. Sie hätte allerdings einen schöneren Abgang verdient gehabt."