
Demografischer Wandel und Generationengerechtigkeit hieß das weite Feld, das die Arbeitsgemeinschaft 60plus der Frechener SPD im Speisesaal des CJD beackerte. Mit dem früheren Vizekanzler und Sozialminister Franz Müntefering war ein Referent geladen, der es versteht, umfangreiche Zusammenhänge leicht verständlich dazustellen.
Müntefering zeichnete entlang des vorangestellten Slogans Weniger, älter, bunter! ein mit Zahlen unterlegtes Bild der heutigen und künftigen Alters- und Lebensstrukturen einer Gesellschaft im herausfordernden Wandel. In Beispielen riss der 71-jährige Spitzenpolitiker bereits die Situation im Rhein-Erft-Kreis an, die der Frechener Sozialdezernent und Beigeordnete Jürgen Uttecht bezogen auf die Stadt vertiefte.
Eine Insel der Glückseligkeit nannte Uttecht bewusst ein wenig provokativ die Lebensbedingungen für alte Menschen in der Kommune im Speckgürtel von Köln. Denn Müntefering hatte zuvor verdeutlicht, inwieweit mit der Überalterung der Bevölkerung Wanderbewegungen von Familien mit Kindern aus ländlichen Regionen in Großstädte einhergehen. Die Gründe liegen im Wesentlichen in der Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen wie auch der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder. Noch wachse Frechen, erfuhren die rund 40 Besucher von Uttecht, die Stadt zähle derzeit über 50 000 Einwohner. Aber in den kommenden 20 Jahren werde auch hier die Landflucht einsetzen, da dann die Kinder der größten Bevölkerungsgruppe in Frechen, der 35- bis 50-Jährigen, eigene Wege gehen würden. Deshalb müssen wir uns jetzt familienfreundlich aufstellen in einer Stadt mit 1970er-Jahre-Infrastruktur, deren beste Zeit vorbei ist, führte Uttecht vor Augen.
Da gebe es viele Baustellen: die Betreuung von unter dreijährigen Kindern und von Schulkindern, damit für Eltern Beruf und Familie vereinbar seien, außerdem nah am Wohnort angesiedelte Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleister sowie die Finanzierbarkeit von Pflege. In Frechen leben 250 Senioren mit anerkannter Pflegestufe I. Dem stehen 450 stationäre Plätze gegenüber.
Müntefering bekundete später, als er Fragen der Zuhörer beantwortete, er höre gerne, dass die Stadt aufpassen wolle, nicht nur Pflegeanbietern mit wirtschaftlichen Interessen diesen Markt zu überlassen. Ein Besucher hatte mit Zahlen verdeutlicht, dass sich wohl nur wohlhabende Rentner betreutes Wohnen leisten können. Wucher nannte er 1080 Euro Kaltmiete zuzüglich 230 Euro Nebenkosten für eine 60 Quadratmeter große Wohnung in einem Stift in Frechen.
Franz Müntefering knüpfte auch an Jürgens Uttechts Bedauern an, dass vor zwei Jahren die Einrichtung einer Wohnraumberatung für Senioren an der Ablehnung der Sozialkassen scheiterte. Früh müsse das Leben im Alter geregelt werden, so der SPD-Bundesabgeordnete, nicht zuletzt, weil die wenigsten Senioren über eine Rente verfügen, die im Pflegefall reicht. Müntefering nahm aber auch seine Altersgenossen in die Pflicht: Wir brauchen keine Generation, die nach Mallorca abwandert, sondern eine, die um ihre Mitverantwortung weiß. Demokratie hat keinen Schaukelstuhl.