
Der Kölner Stadt Anzeiger berichtet am 09.09.2008 im Artikel: "Überrascht, aber voller Hoffnung –
Viele Sozialdemokraten im Kreis stellen sich hinter neue Führungsspitze – Auch in den Ortsverbänden gibt es kaum kritische Stimmen zum Duo Müntefering/Steinmeier. Kurt Beck trauert kaum jemand nach."
Für den Vorsitzenden der SPD im Rhein-Erft-Kreis, Guido van den Berg, war "der Rücktritt von Kurt Beck eine Überraschung". Becks Situation sei bedauerlich gewesen, zumal er sich nie in das Amt gedrängt, sondern den Parteivorsitz in einer schwierigen Zeit übernommen habe. "Dabei ist es ihm auch gelungen, der Partei eine neue programmatische Ausrichtung zu geben." Zuletzt sei er aber "nicht mehr handlungsfähig und damit ohne Chance" gewesen.
Wer Kanzlerkandidat werden solle, habe sich schon länger abgezeichnet. Steinmeier sei also keine Überraschung gewesen. Die Situation sei für den amtierenden Außenminister aber aber alles andere als einfach gewesen, denn die Verkündung seiner Kandidatur folgte unmittelbar die Ankündigung des Rücktritts von Kurt Beck. Für die Partei sei das Duo Steinmeier/ Müntefering schlicht optimal. Beide gehörten zu populärsten Politikern überhaupt. Steinmeier steht für eine Politik, die "für unser Land gut ist" und er kann sich von der amtierenden Kanzlerin absetzen, so van den Berg. Müntefering sei jemand, der im Wahlkampf "sofort loslegen" kann. Beinahe noch wichtiger aber erscheint dem SPD-Chef, dass Müntefering jemand ist, der die Partei zusammenhalten kann.
UMFRAGE: Wie beurteilen Sie die Krise in der SPD? "Beck ist nicht der richtige Typ"
Wolfgang Härtel (55), Vorruheständler, Bergheim: Steinmeier und Müntefering sind das Beste, was die SPD derzeit zu bieten hat. Beide haben das Vertrauen der Partei, es war nur logisch, dass sie auf Kurt Beck folgen. Die Frage ist vielmehr, warum der Wechsel jetzt erst stattgefunden hat. Beck war in der Öffentlichkeit doch schon lange unten durch, er hat der Partei in den vergangenen Monaten eher geschadet als genutzt. Die SPD dürfte jetzt bei den nächsten Wahlen bessere Chancen haben. Im Bund kommt es ja wahrscheinlich ohnehin wieder zu einer großen Koalition.
Christa Wieland (61), Rentnerin, Bergheim: Ich finde es richtig, dass Franz Müntefering wieder in die Parteispitze reinkommt, aber nicht gut finde ich die Art und Weise, wie es abgelaufen ist. Man hätte das Ganze erwachsener regeln können. Kurt Beck war ja nicht so schlecht. Das kommende Jahr wird sicher ganz schwierig für die SPD, auch was die Zusammenarbeit zwischen Müntefering, Steinmeier und Angela Merkel angeht. Der Zeitpunkt ist ein Jahr vor der Wahl einfach ungünstig, auch für Deutschland im Allgemeinen. Dass Steinmeier als Kanzlerkandidat antritt, ist ok, er ist sicher der beste Mann dafür.
Ernst Reinert, 68, Rentner aus Frechen: Vom Beck-Rücktritt habe ich gestern im Urlaub gehört. Mich hat das schon überrascht. In meinen Augen war er ein guter Vorsitzender, der sich für die Partei eingesetzt hat und Autorität ausgestrahlt hat. Und jetzt will der Müntefering auf einmal wieder die erste Geige spielen. Der Rücktritt erinnert mich an den Abschied von Howard Carpendale – von wegen nie wieder auf die Bühne. Vielleicht kann er den Tod seiner Frau so am besten verarbeiten. Kurt Beck wird sich jetzt sicher erstmal zurückziehen in die Schmollecke. Der ist frustriert und muss sich erholen.
Heide Adams, 64, Rentnerin aus Köln: Ich glaube, Beck hatte nie wirklich eine Chance. Er ist nicht der richtige Typ. Das ist in der Politik einfach ausschlaggebend. Münteferings Comeback finde ich gut. Für mich war immer klar, dass er nach dem Tod seiner Frau zurückkommen wird. Jetzt kann er sich mit aller Kraft wieder auf die Partei konzentrieren. Er ist nicht nur der richtige Typ, sondern hat auch den Sympathie-Bonus. Auch Steinmeier finde ich gut. Er ist neben Schröder groß geworden und hat mit seiner langjährigen Erfahrung eine gute Basis für den Job des Bundeskanzlers. Ich trau ihm das zu.
Halil Ötztürk (24), Florist, Brühl: Bei den schlechten Umfragewerten für die SPD war eine Veränderung an der Parteispitze unumgänglich. Außenminister Steinmeier ist die beste Wahl als Kanzlerkandidat. Er hat auch durchaus Chancen gegen Angela Merkel, von der ich nicht so viel halte. Viel habe ich von ihr in den letzten Jahren auch noch nicht gesehen. Jetzt hat die SPD vielleicht Chancen, auch Wahlen zu gewinnen. Franz Müntefering ist beliebt und authentisch, dem glauben die Leute mehr als sie dies bei Kurt Beck getan haben.
Die Kölnische Rundschau berichtet im Artikel: "Korrektur einer eklatanten Fehlentscheidung – SPD-Politiker im Kreis begrüßen Führungswechsel im Bundesparteivorsitz – Fans von Müntefering" des Redakteus Manfred Funken:
Mitgefühl für Kurt Beck, Erleichterung darüber, dass Franz Müntefering es wieder macht. Mit Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidaten hatten sowieso alle gerechnet. Führende SPD-Politiker im Rhein-Erft-Kreis sehen nach den Turbulenzen in der Parteiführung nun wieder Land für bevorstehende Wahlkämpfe.
"Ich habe meinen Freunden diese Entwicklung schon vor Wochen vorhergesagt", ist SPD-Landratskandidat Hans Krings allenfalls vom Zeitpunkt, nicht aber von den Personalentscheidungen überrascht. Es habe etwas geschehen müssen, und die Rückkehr Münteferings sei "die Korrektur einer eklatanten Fehlentscheidung". "Er hätte nie gehen dürfen", sagt Krings. Zwar habe er selbst auch große Hoffnungen auf Beck gesetzt, doch die seien enttäuscht worden. Nur Müntefering sei zurzeit in der Lage, eine Brücke zu schlagen zwischen der Agenda 2010 und Leuten, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt seien. Innerhalb der Partei müsse die Diskussion aufhören zwischen links und rechts. "Es ist falsch zu glauben, es gäbe nur Linke oder Neoliberale."
Die Bundestagsabgeordnete Gabi Frechen ist ein "Fan von Müntefering", und das Votum für Steinmeier sei richtig und wichtig. "Was menschlich wehtut, ist die Art und Weise, wie man mit Kurt Beck umgegangen ist. Das hat er nicht verdient." Münteferings Rücktritt als Parteivorsitzender im Jahr 2005 sei heute kein Problem. "Fehler, die damals gemacht wurden, werden sich nicht wiederholen."
Auch der Ehrenvorsitzende der SPD Rhein-Erft, Klaus Lennartz, zeigt Mitgefühl für Beck. "Aber für die SPD war dieser Schnitt die einzige Chance, sich wieder als Volkspartei zu positionieren." Die Rückkehr Münteferings begrüßt Lennartz, weil der Sauerländer für Führungskraft stehe. "Wir brauchen politisch und inhaltlich klare Linien."
Viel Zusammenhalt sei jetzt notwendig, sagt die Brühler Bundestagsabgeordnete Helga Kühn-Mengel. Müntefering sei in der Lage, den zu schaffen. "Er ist ein guter Mann." Kühn-Mengel glaubt, dass die Klärung an der Parteispitze unumgänglich gewesen sei. Darüber dürfe man aber Becks Verdienste nicht vergessen. Mindestlohn und Hamburger Programm nennt sie als Stichworte in der Bundespolitik. Als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz sei er unumstritten.
Ferner dokumentiert die Kölnische Rundschau das Interview: "Müntefering wird die CDU wieder das Fürchten lehren" :
Guido van den Berg (33) ist Parteichef der SPD Rhein-Erft-Kreis. Sein Geld verdient er seit Frühjahr dieses Jahres als Referent des SPD-Bundestagsabgeordneten Franz Müntefering – dem designierten neuen Parteichef der Bundes-SPD. Bernd Rupprecht sprach mit van den Berg über die Entwicklung.
Herr van den Berg, wo waren Sie, als am Schwielowsee bei Potsdam Parteigeschichte geschrieben wurde?
Ich habe die Entwicklung zu Hause in Bedburg am Fernseher verfolgt. Dass Kurt Beck als Parteichef zurücktritt, das hat alle total überrascht.
Nun soll Ihr Chef, Franz Müntefering, wieder den Parteivorsitz übernehmen. Wie geht es Ihnen damit, dass sie Mitarbeiter des Parteichefs sein werden?
Das ist natürlich eine sehr spannende Aufgabe. Als mich Franz Müntefering im Frühjahr anrief und fragte, ob ich sein Referent werden wolle, habe ich sofort zugesagt. Ich traute mir das zu, und daran hat sich nichts geändert. Es ist eine Herausforderung, auf die ich mich freue.
Welche Aufgaben haben Sie in Berlin bei Müntefering?
Ich bin Mitarbeiter in seinem Bundestagsbüro und im Wesentlichen zuständig für das Erarbeiten von Texten und Reden.
Haben Sie etwa auch die Rede von Müntefering formuliert, die er vor wenigen Tagen im Münchner Hofbräukeller gehalten hat?
Daran war ich nicht beteiligt. Es ist aber letztlich immer das Werk des Chefs.
Franz Müntefering ist ja bekannt für seine prägnante Rhetorik. Wie hat er es denn am liebsten?
Ich habe schon viel von Müntefering lernen können. Ihm liegt es, auch komplizierte Sachverhalte auf den Punkt zu bringen. Er mag kurze Sätze. Und es ist immer wieder erstaunlich, wie er es schafft, Manuskripte weiter zu kürzen, auch wenn der Sachverhalt schon sehr verdichtet war. Müntefering spricht eben eine Sprache, die jeder versteht.
Was halten Sie davon, dass Müntefering Parteichef wird und Frank-Walter Steinmeier Kanzlerkandidat?
Ich habe Franz Müntefering ja jetzt näher kennengelernt. Ich schätze ihn sehr als Menschen und finde es bewundernswert, wie er seine erkrankte Frau bis zu ihrem Tod begleitet hat. Er wird es gemeinsam mit Steinmeier schaffen, dass die Partei wieder zusammenfindet. Das Bild einer zerrissenen SPD wird es bald nicht mehr geben. Müntefering kann Wahlkämpfe organisieren, und er wird derjenige sein, der die CDU und Angela Merkel wieder das Fürchten lehren wird.
Wie werden Sie die Aufgaben als Referent und das Amt des Parteichefs im Rhein-Erft-Kreis unter einen Hut bekommen?
Bislang war mein Chef mit meiner Arbeit zufrieden und die SPD Rhein-Erft-Kreis auch. Es ist eine Frage der Organisation. Das ist schon machbar.