
Nach wie vor suchen fast doppelt so viele Jugendliche im Rhein-Erft-Kreis einen Ausbildungsplatz, als Ausbildungsstellen im Kreis vorhanden sind, stellt der Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, Hardy Fuß, fest. Nach aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit kommen auf 1882 offene Stellen 3375 Bewerber.
In diesem Zusammenhang befasste sich die SPD-Kreistagsfraktion Rhein-Erft im Rahmen ihrer Fraktionssitzung mit den Möglichkeiten vollzeitschulischer Ausbildungsgänge an Berufskollegs zur vorübergehenden Entlastung des Ausbildungsmarktes. Um die Chancen und Risiken für den Ausbildungsmarkt im Rhein-Erft-Kreis sowie für die Duale Berufsausbildung insgesamt abzuwägen, hatten die Sozialdemokraten den Leiter des Goldenberg-Berufskollegs in Hürth und Wesseling, Rolf Haschke, und den Gewerkschaftssekretär der DGB-Region Köln-Leverkusen-Erft/Berg, Jörg Mährle, eingeladen.
Durch Änderung des Berufsbildungsgesetzes hat der Bundesgesetzgeber begrenzte Möglichkeiten geschaffen, um schulische Ausbildungsgänge als Notmaßnahmen zur Lösung von Engpässen am Ausbildungsmarkt anzubieten, stellte Rolf Haschke dar. Am 16. Mai 2006 hat das Land NRW dann die sogenannte Berufskolleganrechnungs- und zulassungsverordnung (BKAZVO) erlassen. Danach ist geregelt, dass der Besuch eines Bildungsganges berufsbildender Schulen nun ganz oder teilweise auf die Ausbildungszeit angerechnet werden kann.
Im Goldenberg-Berufskolleg wird nun auf dieser Grundlage in einer der 10 Berufsschulklassen ein vollzeitschulischer Ausbildungsgang für den Beruf des Industriemechanikers angeboten. Von diesem Angebot können insbesondere Jugendliche, die eine Ausbildung anstreben, aber bisher noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, profitieren, so Haschke. Die Vorteile eines solchen vollzeitschulischen Zusatzangebotes seien, dass die Jugendlichen anders als bisher – einen qualifizierten Bildungsabschluss erwerben könnten; das Bildungsangebot ihren Ausbildungswünschen entspreche und eine höhere Motivation, gesteigerter Lernerfolg und eine bessere Qualifikation dieser Jugendlichen zu erwarten sei. Die Auszubildenden sollen den Lehrgang mit einer IHK-Prüfung abschließen und hätten umfangreiche Praktika-Blöcke während ihrer Ausbildung zu absolvieren, darüber hinaus könnten sie die Fachhochschulreife erwerben.
Die Möglichkeit vollzeitschulischer Ausbildung eröffnet die reale Chance, dass die nicht ausreichenden betrieblichen Ausbildungsplätze durch außerbetriebliche Angebote ergänzt werden, so Jörg Mährle. Wichtig sei aber darauf zu achten, dass das duale Ausbildungssystem insgesamt Vorrang vor der vollzeitlichen Berufsschulausbildung besitzen müsse . Mit der begrenzten Einführung vollzeitlicher Berufsschulabschlüsse könne die soziale und ökonomische Fehlentwicklung der unproduktiven Warteschleifen, in denen Jugendliche ohne Ausbildungsplatz bisher verharren mussten, gebremst werden. Das Problem der Warteschleifen verdeutlichte Mährle, indem er auf das NRW-weite Zahlenverhältnis zwischen Berufsschulklassen im Dualen System – also eine betrieblich und schulisch gemischte Ausbildung – und Schülerklassen ohne Ausbildungsverhältnis hinwies: Neben 13 900 dualen Klassen gebe es derzeit 7 700 Schülerklassen ohne Ausbildungsverhältnis.
Neben dem grundsätzlich zu bevorzugenden Dualen Ausbildungssystem kann die vollzeitschulische Berufsausbildung demnach eine Chance insbesondere für die Jugendlichen bieten, die bisher keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden haben, so der sozialpolitische Sprecher der SPD-Kreistagsfraktion, Helmut Latak.
Die Einrichtung vollzeitschulischer Ausbildungsgänge an Berufkollegs kann jedoch immer nur als Ergänzung betrachtet werden und entlässt keinesfalls die Wirtschaft oder öffentliche Verwaltungen aus der Verantwortung weitere betriebliche Ausbildungsplätze zu schaffen, betont Fuß.