
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ein moderner Staat benötigt zur Finanzierung seiner vielfältigen Aufgaben Einnahmen, die im Wesentlichen durch Steuerneinnahmen erzielt werden.
Eine wichtige Grundlage unseres Steuersystems ist die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit.
Ich halte es für nachvollziehbar, dass Steuerpflichtige jede legale Möglichkeit
nutzen, um ihren Beitrag an der Finanzierung des Staates mindern. Mitunter tun sich durch Auslegungen der Gesetze, durch Lücken oder gar
Steuerschlupflöcher so verlockende Möglichkeiten auf, die man einfach nicht ungenutzt verstreichen lassen kann. Wie gesagt, ich kann das durchaus nachvollziehen. Aber kann oder will ich es auch hinnehmen, dass solche Gestaltungsspielräume gesucht, gefunden und zum Vorteil einiger
weniger angewendet werden? Ich sage: Nein!
Der Abbau solcher Gestaltungsmöglichkeiten war in der vergangenen Legislaturperiode ein Thema für uns, das wir u.a. den obwaltenden Mehrheitsverhältnissen geschuldet – nicht immer so umsetzen konnten, wie wir wollten. Hieran müssen wir anknüpfen und ich denke, die ersten Gesetze
zeigen, dass wir es gemeinsam sehr ernst meinen.
In Focus online war dazu am 24.11. zu lesen: Damit machen Union und SPD mit dem Abbau von Steuerprivilegien ernst. Durch die bisherige
großzügige steuerliche Verlustverrechnung gehen dem Staat jährlich Milliarden verloren. Vermögende Abschreibungskünstler haben über diese Steuerstundungsmodelle ihre Abgabenlast gesenkt.
Und weiter heißt es: Das Aus hatte sich im Frühjahr abgezeichnet.
Die große Beliebtheit resultierte aus einer hohen Verlustzuweisung in der Anfangsphase, die bisher mit anderen Einkünften verrechnet werden
konnte und so zu Steuerminderungen führte. Dies wollen wir ändern. Die Verluste werden nicht abgeschnitten, sind also nicht verloren, sondern
werden künftig nur noch mit Einkünften aus derselben Quelle in den folgenden Jahren verrechnet. Das führt zu einer gleichmäßigen Besteuerung und dazu, dass bei Anlagen künftig die Rendite und nicht mehr der Steuervorteil
das Ausschlaggebende sein wird.
Betroffen sind insbesondere Verluste aus Medienfonds, Schiffsbeteiligungen (soweit sie noch Verluste vermitteln), New Energy Fonds, Leasingfonds, Wertpapierhandelsfonds und Videogamefonds. Nicht betroffen sind,
und das ist im Bericht ausdrücklich dargelegt, Private Equity und Venture Capital Fonds.
Wir haben alle uns bekannten Modelle, also neben gewerblichen Einkünften auch selbständige oder sonstige Einkünfte, eingeschlossen, um die
Gleichheit bei der Besteuerung zu gewährleisten. Aber ich bin fast sicher, dass auch hier das altbekannte Hase- und Igel Spiel die Kreativität der steuergestaltenden Köpfe herausfordern wird.
Einigkeit bei der Abschaffung dieser Modelle wurde generell relativ schnell erzielt. Doch wie immer steckten die Probleme im Detail, hier im Datum
des Wirksamwerdens.
Rückwirkung oder Vertrauensschutz, ein Schutz der Steuerpflichtigen, der zu Recht einen hohen Wert darstellt. Wir haben uns für den 10.11. entschieden, also für den Tag, an dem das
alte Kabinett in enger Abstimmung mit dem neuen, die Vorlage unterzeichnen wollte. Leider hat der ehemalige Minister Trittin seine Unterschrift
verweigert mit der Folge, dass die Vorlage erst vom neuen Kabinett am 24.11. unterzeichnet wurde. Daraus aber einen Vertrauensschutz für die Zwischenzeit zu fordern oder gar eine Verlängerung bis zum 31.12. halte ich für ungerechtfertigt.
Bereits im März beim Jobgipfel hatten sich Union und SPD geeinigt, dass diese Modelle abgeschafft werden. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt
wurden die Anleger darauf aufmerksam gemacht, dass das Aus für Steuerstundungsmodelle unmittelbar bevorsteht: Zeichnen Sie jetzt, zeichnen
Sie schnell, so lautete deshalb ab März die Devise.
Auch nach dem 10.11. wurde natürlich weiter z. T. sogar aggressiver geworben.
Allerdings wurde von den Fonds ein Rücktrittsrecht eingeräumt für den Fall, dass die Gesetzesänderung vor dem 1.1.06 in Kraft tritt.
Unter der Überschrift: Steuerfonds werden weiterverkauft schreibt das Handelsblatt am 16.11.: Anleger sollten keine Beteiligung ohne Rücktrittsrecht und zugesicherter Rückzahlung der Einlage inklusive Agio eingehen. Damit ist wohl eindeutig, dass die interessierte Öffentlichkeit sehr wohl das Risiko kannte und nach dem Motto: No risk, no fun handelte.
Das Risiko des entgangenen Steuervorteils nun auf die Allgemeinheit der Steuerzahler abzuwälzen halte ich geradezu für widersinnig und auch nicht
für ein schützenswertes Gut. Das Bundesverfassungsgericht bestätigt die Möglichkeit der Rückwirkung genau für diesen Fall, nämlich dann, wenn der Bürger zum Zeitpunkt, auf
den sich das rückwirkende Gesetz bezieht, mit der Neuregelung rechnen musste.
Eine Verlängerung bis zum 31.12. hätte geradezu eine Schlussverkaufsstimmung ausgelöst. Genau den Modellen, die wir abschaffen wollen, würden
wir damit zu einem Hipe verhelfen. Das kann doch wohl nicht gewünscht sein. Die Verhinderung von Steuerumgehungsmöglichkeiten ist ein wichtiger
Beitrag zur Steuergerechtigkeit, die eng mit der Akzeptanz der Steuergesetze durch den Bürger verknüpft ist. Diese Akzeptanz und das Vertrauen der breiten Masse der Steuerpflichtigen
brauchen wir dringend. Das vorliegende Gesetz ist einer von vielen Schritten in diese Richtung.