Zu dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates erklärt die SPD-Bundestagsabgeordnete, Helga Kühn-Mengel:
Zu Recht betont der Sachverständigenrat, dass die neue Bundesregierung bei ihrer Reformpolitik auf die konjunkturellen Wirkungen der langfristigen Wachstumspolitik achten soll. Er fordert zwar nachdrücklich Maßnahmen zur langfristigen Haushaltskonsolidierung, erklärt aber gleichermaßen, dass in konjunkturellen Schwächephasen eine gewisse Zurückhaltung bei der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen ratsam sein kann. Dem ist zuzustimmen, denn nur über eine glaubhafte und wachstumsgerechte Konsolidierung können wir die Handlungsfähigkeit des Staates wieder herstellen. Deshalb sollte eine mögliche Mehrwertsteuererhöhung – wenn sie schon als Kompromiss in den Koalitionsverhandlungen kommen muss – auch nicht nur zur Haushaltskonsolidierung genutzt werden. Wir sollten an dem Dreiklang festhalten: mittelfristiger Reformkurs, verbindliche Konsolidierungsperspektive und strukturreformbegleitende Konjunkturimpulse. Beispiel ist die Förderung der energetischen Sanierung im Wohnungsbaubereich.
In seiner Bewertung der konjunkturellen Aussichten liegt der Sachverständigenrat leicht hinter der Projektion der Bundesregierung. Wir sind da etwas optimistischer, auch im Hinblick auf das Greifen der Reformen im kommenden Jahr. Die Zahl der Erwerbstätigen wird in 2006 weiter steigen, nicht zuletzt infolge der arbeitsmarktpolitischen Reformen. Bei der Einschätzung der Preisentwicklung sehen auch wir trotz der Ölpreise keine Gefahr in Deutschland und der EU. Zweitrundeneffekte sind nicht zu erkennen, so dass die Europäische Zentralbank recht daran tut, sehr behutsam mit dem Instrument der Zinssatzänderung umzugehen.
Wir freuen uns über das Lob des Sachverständigenrates hinsichtlich der Reformen der letzten Jahre. Die Wirkungen werden sich im Jahr 2006 verstärken. Deshalb werden wir am Reformkurs festhalten der auf die Stärkung der Wachstumskräfte abzielt, eine Modernisierung der Sozialsysteme vorantreibt und dabei die soziale Balance bewahrt. Insofern unterscheiden wir uns auch vom Sachverständigenrat, der in seinen arbeitsmarktpolitischen Empfehlungen allzu sehr in traditionellen Vorstellungen verharrt und sich darauf beschränkt, mit weniger Arbeitnehmerrechten zu mehr Beschäftigung zu kommen. Für uns sind Arbeitnehmer mehr als nur Kostenfaktoren. Qualifizierung und Teilhabe sind für uns elementare Faktoren, um die Arbeitnehmer als wichtige Ressource im Unternehmen bei Innovationsprozessen mitzunehmen.