Der SPD-Kreisvorsitzende Guido van den Berg hat in seiner Eigenschaft als Beisitzer im Wahlausschuss des Rhein-Erft-Kreises mit dem gestrigen Datum die Kreisdirektorin Gerlinde Dauber als Wahlleiterin angeschrieben und sie darauf aufmerksam gemacht, dass große Bedenken bestehen, dass die Wahrung des Wahlgeheimnisses bei der CDU-Kreiswahlkonferenz zur Aufstellung der Kreistagskandidaten für den Rhein-Erft-Kreis nicht ausreichend war und daher die Wahl unter wahlrechtlichen Gesichtspunkten anfechtbar sein könnte.
Ausgangspunkt ist ein Foto, das in der Berichterstattung der Kölnischen Rundschau vom 07.06.2004 abgedruckt ist und auf dem Herr Werner Stump und Herr Willi Zylajew MdB zu sehen sind. Herr Stump ist bei der Abgabe eines Zettels an einen Wahlhelfer zu sehen, der in der anderen Hand lose weitere Zettel hält. Während Herr Zylajew MdB mit einem offenbar Füllfederhalter an einem anderen Zettel beschäftigt ist. Das Bild ist mit einer Bildbeschreibung versehen: Urnengang mal anders rum: Um ihre Stimme für die Wahl der Kreistagskandidaten abzugeben, brauchten CDU-Fraktionschef Willi Zylajew und Landrat Werner Stump (v.r.) nicht aufzustehen. Das Bild lässt darauf schließen, dass in dieser Situation keine Wahlkabinen verwendet wurden und auch keine Verwendung von üblichen Urnen oder ähnlichen Behältnissen stattgefunden hat.
In seiner letzten Vorstandssitzung hat der SPD-Kreisvorstand den Vorsitzenden Guido van den Berg ermächtigt, diesen Vorgang zu untersuchen und hat u.a. hierzu das Rechtsanwaltsbüro für Verwaltungsrecht Lenz & Johlen aus Köln damit beauftragt, eine erste rechtliche Einschätzung vorzunehmen. Lenz & Johlen kommen zu dem Ergebnis: Sollten Herr Stump und Herr Zylajew am Tisch sitzend und ohne jegliche Abschirmung ihre Stimmzettel offen ausgefüllt haben, so wäre dies als Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Kommunalwahlgesetz einzustufen.
Die SPD verweist in diesem Zusammenhang auf den Beschluss der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Minden vom 28.11.1990, in der in einem ähnlich gelagerten Fall festgehalten wurde, dass zu den Mindestanforderungen an eine geheime Wahl gehöre, dass die Wähler den Stimmzettel unbeobachtet ausfüllen könnten: Diesem Erfordernis ist nicht genüge getan, wenn die Stimmzettel in einer Wahlversammlung an einem mehr oder weniger dicht besetzten Versammlungstisch ausgefüllt werden und lediglich die Möglichkeit angeboten wird, an einer von diesem Tisch abgesetzten
Stelle unbemerkt zu wählen. Zwar ist der Wähler nicht verpflichtet, seine Stimmabgabe geheim zu halten; ihm steht es frei zu sagen, wie und wen er gewählt hat. Dieses Offenbarungsrecht des Wählers besteht aber nur vor und nach der Wahl. Auf Schutz der Geheimhaltung während des Wahlvorgangs kann der Wähler nicht verzichten (vergleiche OVG NW, Urteil vom 17.12.1958 – III A 1014/58 -, OVGE 14, Seite 257 ff.; Beschluss vom 12.12.1982 12 8 2305/81 -, NVWZ 1982, Seite 884, OVG Lüneburg, Beschluss vom 07.03.1990 10 M 5/90 -, DVB 1.1990, Seite 831 ff.)
Das OVG Lüneburg stellt in seinem Urteil vom 28.02.1984 dar: Bei geheimer Wahl dürfen die Wähler nicht nebeneinander am gemeinsamen Verhandlungstisch auf ihren Plätzen bleiben, weil sie dort naturgemäß nicht unbeobachtet sind. Selbst wenn jeder darauf vertraut, dass der Nachbar ihn nicht beobachtet, kann das Ergebnis einer solchen Wahl anders ausfallen, als wenn das Gebot zur Wahrung des Wahlgeheimnisses dadurch unterstrichen wird, dass sich jeder Wähler beim Ausfüllen des Wahlzettels an den gleichen, abgesonderten eingerichteten Platz begibt, an dem er auch den äußeren Umständen nach unbeobachtet ist, in Ruhe überlegen und den Stimmzettel sorgfältig kennzeichnen kann.
In Vermerk 10 K 2599/89 zum Erörterungstermin des Verwaltungsgerichts Minden vom 18.04.1991 wird festgestellt: Ebenso eindeutig ist, dass die wegen Verstoßes gegen das Gesetz der geheimen Wahl ungültige Kandidatenwahl dazu führt, dass die darauf berufenen Wahlvorschläge ungültig sind und eine wegen Ungültigkeit dieser Wahlvorschläge durchzuführende Wiederholungswahl nur ohne die ungültigen Wahlvorschläge durchgeführt werden kann, selbst wenn hierdurch eine größere Partei mit sämtlichen Wahlvorschlägen ausgeschlossen wird. (vergleiche OVG NW, Urteil vom 19.02.1982 15 A 898/81 -, Städte und Gemeinderat 1982, Seite 245.)
In gleichem Vermerk wird jedoch auch festgehalten: Die Durchführung einer Wiederholungswahl bei der eine größere Partei vollständig von ihrer Beteiligung mit eigenen Kandidaten ausgeschlossen wird, läuft zwar dem allgemeinen demokratischen Verständnis zu wider, gleichwohl ist diese Rechtsprechung in der Literatur nicht ernsthaft angegriffen worden, sondern sogar für richtig befunden worden (vergleiche Henke, NVWZ 1983, Seite 398). Aufgrund eines vom OVG Münster und vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Urteils der Kammer ist z. B. in der Stadt Bad Oeynhausen vor einigen Jahren eine Wiederholungswahl angeordnet und durchgeführt worden, bei der die FDP von der Teilnahme an der Wahl mit eigenen Kandidaten ausgeschlossen war.
Die SPD im Rhein-Erft-Kreis hat daher die Kreiswahlleiterin noch rechtzeitig vor der Einreichungsfrist für Wahlvorschläge am 09.08.2004 um 18.00 Uhr aufgefordert, mit der CDU des Rhein-Erft-Kreises Kontakt aufzunehmen, um gegebenenfalls eine Heilung des Vorgangs bei der Aufstellung der CDU-Kreistagskandidaten (z.B. durch neue Durchführung der Nominierungsversammlung) zu erreichen.
Es gehört zu den Grundsätzen demokratischer Kontrolle und zu den Aufgaben des Wahlausschusses des Rhein-Erft-Kreises, darauf zu achten, dass die Wahlgrundsätze (auch der der geheimen Wahl) in den Nominierungsverfahren Beachtung gefunden haben. Die SPD im Rhein-Erft-Kreis betrachtet es als fairen Akt, die Kreiswahlleitung, aber auch die CDU im Vorfeld der Einreichungsfrist auf diese Problematik aufmerksam zu machen, um zu verhindern, dass am Wahltermin u.U. die CDU von der Wahl für den Kreistag ausgeschlossen werden könnte.