Steinbrück will Grundstein legen

Gewerkschafter, Kraftwerker, Bergleute, Politiker und Mitarbeiter energieintensiver Unternehmen, zusammen mehr als 1000 Menschen, warteten gespannt auf Ministerpräsident Peer Steinbrück. Der werde zum Gerangel über den Handel mit Schadstoff-Zertifikaten „klare Worte sprechen“, verbreitete RWE-Power-Gesamtbetriebsratschef Erwin Winkel im Vorfeld. Klare Worte erhofften sich auch RWE-Power-Vorstandschef Berthold Bonekamp und sein künftiger Nachfolger Dr. Gert Maichel. Schließlich hängt nach deren Darstellung von der Ausgestaltung des Emissionshandels eine weitere Milliardeninvestition in ein neues Braunkohlenkraftwerk mit optimierter Anlagentechnik (BoA) ab.

Die Wartenden, die ihren Unmut über die Politik von Bundesumweltminister Jürgen Trittin zum Handel mit Schadstoffzertifikaten schon seit dem frühen Morgen auf Plakaten und Handzetteln kundgetan hatten, wurden nicht enttäuscht. Steinbrück, für 13 Uhr in der Niederaußemer Tennishalle angekündigt, kam fast pünktlich und spannte niemanden auf die Folter: „Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör‘ bald auf“, zitierte er Martin Luther und stellte fest: „NRW ist das Energieland Nummer eins – und so soll es bleiben.“

Der umstrittene Trittin-Entwurf für einen Nationalen Allokationsplan (Verteilungsplan) zum EU-weiten Handel mit Schadstoffzertifikaten werde den nordrhein-westfälischen Anforderungen nicht gerecht, sagte Steinbrück. Die Kritik betrifft vor allem die von Trittin gewollte Orientierung an Gaskraftwerken. Dadurch würde die Kohleverstromung benachteiligt, weil Kohlekraftwerke mehr Kohlendioxid ausstoßen als Gaskraftwerke. Der Strom aus Kohle wird dadurch teurer. Stromerzeuger wie RWE Power verlangen deshalb eine brennstoffspezifische Bewertung und fordern außerdem Belastungsgrenzen für Alt-Anlagen bis über das Jahr 2012 hinaus.

Steinbrück machte unter großem Beifall deutlich, dass auch dem Klimaschutz mit Trittins Ideen nicht geholfen sei. Der sicherste Klimaschutz sei die Weiterentwicklung der vorhandenen Technologien. Damit seien drei Ziele zu erreichen: „Klimaschutz, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze“. Alles andere sei für Nordrhein-Westfalen nicht akzeptabel. Dass Steinbrück in Berlin gegen Trittin Stellung beziehen wird, daran ließ er keinen Zweifel: „Ich werde alles tun, damit wir uns möglichst bald zur Grundsteinlegung der BoA II hier im rheinischen Revier zusammenfinden können.“

Zuvor hatten Power-Betriebsratschef Winkel und Vorstandschef Bonekamp die Trittin-Pläne hart kritisiert und auch einen zwischenzeitlich bereits wieder verworfenen Kompromiss abgelehnt. Winkel zeigte sich „fassungslos“ über die Vorschläge und bezeichnete sie als „Morgenthauplan zur Ent-Industrialisierung Deutschlands“. Power-Chef Bonekamp erklärte erneut, die Genehmigungspläne für das zweite BoA-Kraftwerk in Neurath blieben so lange in der Schublade, wie Trittin das „Zurückdrängen der Kohle“ betreibe. Kritik am Besuch Steinbrücks übte dagegen der Vorsitzende des CDU-Ortsverbands Niederaußem, Rainer Hübl. „SPD-Bekenntnisse müssen nicht hier vorgetragen werden, sondern in Berlin und Brüssel.“