Die Kraftwerker in Niederaußem sind stinksauer. Im Betriebsratsbüro herrscht gestern von der Frühschicht an Hochbetrieb. Dass ausgerechnet der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber jetzt vorschlägt, im Rahmen einer von der CSU ins Gespräch gebrachten Steuerreform die Steuerbefreiung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen aufzuheben, hat nicht nur die gesamte Frühschicht geschockt. Der Vorsitzende des Betriebsrates im RWE-Kraftwerk, Harald Köhnen, ist äußerst wütend und schimpft heftig auf den Bayern: Das ist glatter Wortbruch von Stoiber.
Niemand anderer als der CSU-Mann war es nämlich, der im Sommer 2002, als Kanzlerkandidat der Union zu Gast im Kraftwerk, versicherte, die Zuschläge blieben steuerfrei. Auf die Frage der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Martina Kalin, ob Stoiber im Falle einer Kanzlerschaft daran denke, die Feiertagszuschläge zu besteuern, hatte dieser denkbar knapp und unmissverständlich mit Nein geantwortet. Er sei dabei gewesen, als Stoiber diese Aussage gemacht habe. Die Schichtarbeiter fühlen sich jetzt verschaukelt.
Als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (Afa) der SPD im Rhein-Erft-Kreis spricht Köhnen aber auch für andere Berufsgruppen. Im Prinzip seien davon alle Arbeitnehmer betroffen, die Schichtarbeit leisten oder an Sonn- und Feiertagen Dienst schieben müssten. Damit werden auch Polizisten, Feuerwehrleute, die Krankenschwester und der Pfleger zur Kasse gebeten, schimpft er weiter und fragt: Warum immer die kleinen Leute?
Dass es sich dabei nicht um den Abzug von ein paar Cent handelt, hat Köhnen bereits bei seinen Kollegen in Erfahrung gebracht. Viele hätten beim Nachrechnen mit Entsetzen festgestellt, dass häufig 15 bis 20 Prozent, weniger in der Lohntüte sein werden. Von sozialer Gerechtigkeit könne somit keine Rede mehr sein.
Den Wortbruch wollen die Kraftwerker bei RWE dem bayerischen Ministerpräsidenten auf keinen Fall durchgehen lassen. Für den Fall, dass die Pläne von Edmund Stoibers CSU in ein Steuergesetz einfließen, könne er sich vorstellen, dass die Jungs auf die Straße gehen.