Hürth – Walter Boecker musste erstmal Gabi Frechen anrufen, diese wollte sich zunächst im Kanzleramt rückversichern, und auch Willi Zylajew wollte die gute Nachricht erst kommentieren, wenn sie in seinem Berliner Büro bestätigt wird. So lange haben alle in dieser Sache gebangt, sind zwischen Optimismus und Hoffnungslosigkeit hin und hergeworfen worden, dass es gestern zunächst keiner so richtig fassen konnte: Auf Staatssekretärsebene wurde am Mittwochabend in Berlin Einigkeit darüber erzielt, dass die von Intergen angebotene Leistung des Kraftwerks für eine Steuerbegünstigung anerkannt wird.
Ein guter Tag für Hürth und Knapsack, freute sich denn auch Bürgermeister Boecker. Die Genehmigung für die 500-Millionen-Euro-Investition sei ein gutes Zeichen für den Standort Deutschland – dass das in Hürth passiert, ist natürlich besonders toll. Es zeige auch, wie lebendig es in Knapsack sei. Boecker erinnert daran, dass in den vergangenen fünf Jahren hier 700 Arbeitsplätze entstanden seien – das Kraftwerk bringe weitere 150.
Schub fürs Umfeld
Nun werden auch noch die Hotels und Pensionen in der Umgebung ausgebucht sein, freut Gabi Frechen sich auf die Bauzeit für das Kraftwerk. Die SPD-Bundestagsabgeordnete erhofft einen wirtschaftlichen Schub fürs gesamte Umfeld. Rückblickend stellt sie fest, dass die Entscheidung zwar arg lange auf sich habe warten lassen, aber wenn man bedenke, das noch Anfang diesen Jahres alle Türen dahin verschlossen waren, haben wir alle gemeinsam doch einiges bewegt.
Frechens persönliche Leistung für das Kraftwerk gegen die Widerstand aus den eigenen sozialdemokratischen Reihen in Düsseldorf und Berlin schätzt der Frechener SPD-Landtagsabgeordnete Hardy Fuß gleich so groß ein, dass er das künftige Kraftwerk gar Gaby und Dampfkraftwerk (GuD) nennen will.
Der Dank und Glückwünsche vom Bundestagsabgeordneten Willi Zylajew (CDU) hingegen richtet sich an die Grünen, die sich gegen die Betonköpfe aus der SPD durchsetzen konnten. Dem kann der Grüne Fraktionschef aus Hürth, Horst Lambertz aus vollstem Herzen zustimmen: Auf allen Ebenen haben die Grünen sich voll für das Projekt eingesetzt. Und jetzt müssen sie auch bauen, kann der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Lennartz (SPD) da nur hinzufügen.
Noch kein GuD-Kraftwerk auf dem Knapsacker Hügel sehen indes die Strategen von RWE Power. Wie ihr Sprecher Reiner Hochscheid betonte, fürchten sie zwar keine Konkurrenz in dem mit Gas betriebenen Kraftwerk – RWE Power ist in der Stromversorgung gut aufgestellt. Hochscheid glaubt jedoch, dass der jetzt gefundene Kompromiss nicht dem Gesetz über die Förderung hocheffizienter GuD-Kraftwerke entspricht. Es sei fraglich, ob das im Streitfall rechtlichen Bestand bei der EU haben wird. Optimismus hingegen will Landrat Werner Stump angesichts der letzten Probleme walten lassen: Das Ergebnis lässt den schwierigen Beratungsprozess vergessen und sei eine Innovationsschub für den Wirtschaftskreis Rhein-Erft. Freudige Überraschung auch beim Energiekonzern Intergen. Sobald die genaue Berliner Formulierung und die Anpassung des Zeitrahmens bekannt sei, werde man die vor einigen Tagen gestoppten Vorbereitungen fortsetzen, um das Kraftwerk so schnell wie möglich in Betrieb zu nehmen. Die Sorgen über den Zeitrahmen hätte man sich allerdings sparen könne, wenn die Verantwortlichen in Berlin bei gleich bleibender Sachlage schneller entschieden hätten, sagte Professor Horst-Dieter Schüddemage, Geschäftsführer im Chemiepark Knapsack. Das sei trotz der großen Freude über das Ergebnis doch ein Wermutstropfen und bedeute letztlich Zeitverlust.