Die Sprecherin der AG Gesundheit und Soziale Sicherung der SPD-Bundestagsfraktion, Helga Kühn-Mengel erklärt zu den Forderungen, das Pflegerisiko zu privatisieren:
Die Pflegeversicherung hat sich als fünfte Säule unseres Sozialversicherungssystems bewährt. Sie wurde 1995 als "Teilkaskoversicherung" eingeführt. Sie bewahrt einerseits pflegebedürftige Menschen vor Armut, fordert andererseits einen Eigenanteil der Versicherten zu den gesamten Pflegekosten. Da die Pflegeleistungen gedeckelt sind, treten Pflegebedürftige bereits heute zusätzlich mit dem Alterseinkommen ein und als unterstes Netz springt die Sozialhilfe ein.
Damit hat sich die Pflegeversicherung bewährt. Wer fordert, der Staat solle erst nach Prüfung des Einkommens und Bedürftigkeit in die Pflicht genommen werden, hat sich mit der Finanzierung durch die Pflegeversicherung nicht beschäftigt und will, dass die Sozialhilfeträger die Lasten tragen. Wir wollen die fünfte Säule unseres Sozialversicherungssystems modernisieren und sie als bewährte umlagefinanzierte Sozialversicherung erhalten.
Vor Einführung der Sozialen Pflegeversicherung waren 80 Prozent der Heimbewohner in Westdeutschland sozialhilfebedürftig (in Ostdeutschland waren dies fast 100 Prozent). Heute benötigen noch rund fünf Prozent der Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege und 25 Prozent der stationär Pflegebedürftigen Sozialhilfe.
Die Pflegeversicherung hat im achten Jahr ihres Bestehens ein Finanzpolster von rund fünf Milliarden Euro, das derzeit jährliche Defizit beträgt 400 Millionen Euro. Damit steht die Pflegeversicherung auf soliden Füssen. Aufgrund der demographischen Entwicklung muss die
Pflegeversicherung aber jetzt den Veränderungen angepasst werden.
Um die Pflegeversicherung zukunftsfest zu machen und an die demografische Entwicklung anzupassen, brauchen wir die Reform der Pflegeleistungen und die Verbesserung der
Pflegequalität sowie den vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten gerechten Ausgleich zwischen Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern mit und ohne Kindern.
Die Mehrbelastung derer, die keine Kinder erziehen ist ein wichtiger Schritt zur Beitragsstabilität. Darüber hinaus müssen die Grundsätze "Rehabilitation vor Pflege" und
"ambulante Pflege vor stationärer Pflege" gelten. Bürgerschaftliches Engagement und kleine soziale Netzwerke im vorpflegerischen oder pflegeergänzenden Bereich müssen gestärkt werden. Alternative Wohnformen und kleine, quartiersbezogene stationäre Pflegeeinrichtungen sind die Alternative zu einer teureren, unnötigen und vorzeitigen
stationären Versorgung.
Wer jetzt die schlichte Privatisierung des Pflegerisikos verlangt, verabschiedet sich nicht nur von einer umlagefinanzierten Sozialversicherung, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Abschaffung eines Feiertages in Vorleistung getreten sind, sondern
verunsichert mit wenig durchdachten Vorschlägen insbesondere ältere Menschen.