
"Wenig Begeisterung über die Agenda 2010"
von Ulla Jürgensonn
Sie haben kontrovers diskutiert und dann doch fast einhellig zugestimmt: Die Sozialdemokraten im Erftkreis unterstützen das Reformpaket der Bundesregierung.
Die rechte Begeisterung für das Reformpaket von Bundeskanzler Gerhard Schröder mochte sich auf dem Sonderparteitag in der Türnicher Erfthalle nicht einstellen. Und so heißt es denn auch in der Entschließung, in der die Delegierten aus den SPD-Ortsvereinen schließlich bei sechs Gegenstimmen und vier Enthaltungen der Agenda 2010 ihre Unterstützung zusagen, ausdrücklich, dass Kritik erlaubt sein müsse.
Die gab es zunächst auch reichlich, vor allem in Stilfragen. Es wäre besser gewesen, wenn Schröder nicht erst auf Drängen einen Bundesparteitag zur Sozialreform einberufen hätte, sondern bevor er seine Pläne öffentlich auf den Tisch gelegt habe, wurde moniert. So habe es keine Chance für eine Debatte gegeben. Auch die Rücktrittsdrohung des Kanzlers kam bei der Parteibasis schlecht an: Einen Politiker, der jede Debatte mit dieser Drohung eröffne, könne man nur noch begrenzt ernst nehmen. So verkomme die SPD zum Kanzlerwahlverein. Friss-oder-stirb-Mentalität nannte das Juso-Chef Benjamin Radermacher.
Aber auch am Inhalt der Agenda hatten die Genossen einiges auszusetzen. Augenwischerei, zu kurz gesprungen waren nur einige der wenig schmeichelhaften Charakterisierungen des Reformwerks. Aber letztlich behielt Parteivorsitzender Hans Krings Recht: Wir werden dem Kanzler folgen müssen. Ein Delegierter wurde noch deutlicher: Ob wir wollen oder nicht.
Dabei hatten sich Gabriele Frechen und Helga Kühn-Mengel, beide Bundestagsabgeordnete, so viel Mühe gegeben, ihren Parteifreunden die Sache schmackhaft zu machen. Denn im Grundsatz war man sich einig: An tiefen Einschnitten, die für den einzelnen Bürger durchaus schmerzhaft werden, kommt man in den nächsten Jahren nicht vorbei. 4,5 Millionen Arbeitslose und Nullwachstum in der Wirtschaft machen drastische Maßnahmen unumgänglich.
Die Agenda 2010 sei nicht die Lösung aller Fragen, gestand Frechen ein. Andere sagten es deutlicher: Das sei kein Konzept, sondern ein Katalog von Notmaßnahmen. Eine dieser Notmaßnahmen, die den Delegierten bitter aufstieß, ist die Sache mit dem Krankengeld. Das sollen die Arbeitnehmer künftig im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung selbst finanzieren – ohne Beteiligung der Arbeitgeber. Ein weiterer Knackpunkt: Die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau.
Weil sie die Probleme sehen und um Lösungen ringen wollen, werden die Sozialdemokraten im Erftkreis demnächst einen neuen Parteitag einberufen, auf dem es um Perspektiven in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik gehen soll. An den Bundesparteitag richten sie den Appell, ein neues Parteiprogramm zu erarbeiten – ein neues Godesberger Programm, zumindest was seine Bedeutung angeht.