„Wir müssen das jetzt machen“

Delegierte auf dem Parteitag der Erftkreis-SPD

„Wir müssen das jetzt machen“
von Vanessa Wodtke

Als Hans Krings am Samstag gegen 15 Uhr die Bühne der Türnicher Erfthalle betritt, sieht er genauso erschöpft und müde aus, wie die Delegierten auf ihren Sitzen im Zuschauerraum. „Ich bin jetzt rundum zufrieden“, sagt der Vorsitzende der Erftkreis-SPD erleichtert ins Mikrofon.
Eindringlich, fast flehend, hat er bei der Begrüßung zum Sonderparteitag „Agenda 2010“ um ein Votum für die Reformpläne von Bundeskanzler Gerhard Schröder gebeten: „Wir müssen uns der aktuellen Situation jetzt stellen. Natürlich können wir im Detail diskutieren, aber bitte lasst uns der Agenda folgen.“

Nach fünf Stunden ist es dann soweit: Die 103 anwesenden Delegierten aus den SPD-Ortsverbänden und dem Unterbezirksvorstand folgen dem Appell ihres Vorsitzenden und beschließen gegen sechs Nein-Stimmen und bei vier Enthaltungen die Unterstützung der Agenda 2010. Auf einen Zusatz legen sie allerdings Wert: „Kritik an Einzelmaßnahmen der Agenda darf nicht ausgeschlossen sein.“

Zuvor hatten sich auch die beiden Bundestagsmitglieder Helga Kühn-Mengel und Gaby Frechen für Schröders Reformpläne stark gemacht. Kühn-Mengel stellte noch einmal die geplanten Reformen im Gesundheitssystem vor. Frechen betonte, die Agenda sei „natürlich nicht“ die Antwort auf alle Fragen, aber ein Schritt in Richtung „Balance zwischen Stabilitätspakt und Generationengerechtigkeit“.

Das sahen viele, die sich in der anschließenden Diskussion zu Wort meldeten, anders. „Mit der Lockerung des Kündigungsschutzes machen wir CDU-Programm und verlassen den Pfad der sozialen Gerechtigkeit“, kritisierte der Juso-Vorsitzende Benjamin Radermacher und erntete zugleich Applaus und Buhrufe.

Neben kritischen Äußerungen zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, den geplanten Lockerungen beim Kündigungsschutz und dem Konflikt mit den Gewerkschaften, war es vor allem der Ärger über die häufigen Rücktrittsforderungen und die „Basta-Kultur“ des Kanzlers, dem die Delegierten aufgebracht Luft machten: „Wir entwickeln uns zu einem medial gelenkten Kanzlerwahlverein, das kann doch nicht die Zukunft der SPD sein.“

Nach rund fünf Stunden Diskussion brachte der Kerpener SPD-Fraktionsvorsitzende Manfred Steinberger die Situation lautstark auf den Punkt: „Es gibt wohl keinen Sozialdemokraten, der der Agenda in allen Punkten zustimmt. Vor zehn Jahren hätte ich bei so einem Programm auch Schaum vor dem Mund gehabt. Trotzdem, wir brauchen Sofortmaßnahmen, die Situation verschärft sich jeden Tag. Wir müssen das jetzt machen.“

Trotz „Bauchschmerzen hier und da“ sahen das letztlich fast alle Delegierten genauso. „Ja, sonst macht es bald die CDU“, raunte es durch die Reihen.

Mit dem Beschluss von Samstag im Gepäck machen sich am 1. Juni drei Delegierte aus dem Erftkreis auf den Weg zum Sonderparteitag der Bundes-SPD. Gaby Frechen, Gertrud Hochhausen und Jupp Kings werden die Reise nach Berlin antreten. An sie richtete Hans Krings am Samstag dann auch seine abschließenden Worte: „Bitte stärkt dem Kanzler in Berlin den Rücken.“