Offenere Betriebe und fähigere Azubis
Von MANFRED FUNKEN aus der KÖLNISCHEN RUNDSCHAU vom 07.05.2003
ERFTKREIS. Betriebe müssen sich verstärkt für Ausbildungswillige öffnen, und die angehenden Lehrlinge müssen mehr Grundfähigkeiten aus der Schule mitbringen. – So in etwa lautete das Fazit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Ausbildungsoffensive im Erftkreis“ am Montagabend im Kreishaus.
Unter dem Motto „SPD vor Ort“ hatten die Sozialdemokraten zu der Veranstaltung eingeladen. Die Bundestagsabgeordnete Gabriele Frechen moderierte die Diskussion. Roland Matzdorf vom NRW-Arbeitsministerium, Kreishandwerksmeister Hans-Peter Wollseifer, Hans Jürgen Geller vom Arbeitsamt Brühl und Frank Hemig von der Industrie- und Handelskammer (IHK) waren ihre Gesprächspartner.
Rund 60 Zuhörer fanden den Weg ins Kreishaus. Handwerksmeister, Unternehmer, Lehrer kamen neben der Riege der Parteianhänger. Jugendliche waren nicht dabei.
Schnell lief die Diskussion auf Schwächen des Ausbildungssystem hinaus, auf die Zurückhaltung der Betriebe beim Ausbildungsplatzangebot und auf mangelnde Kompetenzen bei den Auszubildenden.
Dabei seien die Anforderungen an die Jugendlichen gar nicht so enorm hoch, sagte Kreishandwerksmeister Wollseifer. Rechnen, Schreiben, Lesen seien Grundvoraussetzungen und ein paar Tugenden wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Gutes Benehmen schade auch nicht.
„Wir müssen unsere Jugend mit der Realität konfrontieren, nicht mit Bildungsträgern“, machte sich Matzdorf darüber lustig, dass Jugendliche, die keine Lehrstelle bekommen, weil sie „keinen Bock auf Schule hatten“, wieder zur Schule geschickt werden. Für die Landesregierung kündigte er ein 100-Tage-Programm an, das vor allem mehr Betriebe für Praktika und Ausbildung gewinnen soll. Nur knapp 25 Prozent der Firmen bildeten derzeit aus. Zudem soll die Arbeitswelt früher und intensiver in die Schulen gebracht werden. Mit seinem Plädoyer für eine Lockerung der Handwerks- und Ausbildungsordnung fand der Ministerialbeamte bei den anwesenden Handwerksmeistern wenig Beifall.
Rund 1500 Ausbildungsplätze fehlen derzeit im Erftkreis. Das sei das schlechteste Angebot seit einem Jahrzehnt, sagte Geller. Traditionell allerdings müssten sich Schulabgänger auch im Raum Köln / Bonn nach Lehrstellen umsehen, erinnerte der Mann vom Arbeitsamt daran, dass auch früher nie alle Ausbildungswünsche im Kreis erfüllt werden konnten.
„Die beste Ausbildungspolitik ist eine gute Wirtschaftspolitik“, warf IHK-Zweigstellenleiter Hemig aus Sicht der Betriebe ein. Bei den derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten sinke die Ausbildungsbereitschaft.
SPD-Kreistagsmitglied Klaus Lennartz machte aus dem Publikum heraus darauf aufmerksam, dass es auch Ausbildungsstellen gibt, die nicht zu besetzen sind, etwa bei RWE Rheinbraun.
Rheinbraun-Pressesprecher Guido Steffen bestätigte auf Anfrage, dass von 150 in diesem Jahr zu vergebende Lehrstellen aktuell erst knapp 110 besetzt sind – trotz eines Andrangs von 1600 Bewerbern. „Immer weniger Kandidaten bestehen den Eignungstest“, bestätigt Steffen den Eindruck anderer Lehrherren. Zudem seien immer weniger Schulabgänger bereit, Berufe wie Elektriker oder Schlosser – heute heißen sie Energieelektroniker und Industriemechaniker – zu ergreifen. Gefragt seien die Stellen für Industrie- und Bürokaufleute sowie für Elektroniker in der Informationstechnologie.