
Zu heutigen Meldungen über die für dieses Jahr anstehende Sozialhilfereform erklärt die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Helga Kühn-Mengel:
Ziel der ausgehenden Reform soll ein einfaches, transparentes und in sich schlüssiges System zur Gewährung der materiellen Hilfeleistungen sein. Zum anderen geht es darum, durch mehr individuelle Unterstützung Sozialhilfebedürftigkeit zu vermeiden beziehungsweise zu überwinden. Etwa 1,4 Millionen Sozialhilfebezieherinnen und -bezieher, die längerfristig nicht in den Arbeitsmarkt integrierbar sind, müssen durch eine Förderkette von Maßnahmen aktiviert werden. Dieses Ziel und Eckpunkte der Reform haben SPD-Bundestagsfraktion und Bundestag bereits in der vergangene Wahlperiode beschlossen.
Eckpunkte der Reform "Fördern und fordern" In der vergangenen Wahlperiode hat der Deutsche Bundestag auf Initiative von Rot-Grün Eckpunkte für eine Reform des Bundessozialhilfegesetzes beschlossen. So sollen folgende Punkte berücksichtigt werden:
· Finanzielle Leistungen transparent und bedarfsgerecht weiter entwickeln: Regelsatzbemessung und Fortschreibung müssen neu bestimmt – unter Umständen auch neu konzipiert – werden.
· Selbstverantwortung des Hilfeempfängers stärken und Verwaltung vereinfachen: Bedarfsgerechtigkeit und Pauschalierung der Leistungen prüfen.
· Aktivierende Instrumente und Leistungen der Sozialhilfe verbessern: eine "Förderkette" (Profiling, Beratung, Assessment, Hilfeplanung, Case-management) als zentrales Element mit dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe.
· Länder und Kommunen bei der Verwaltungsmodernisierung wirksam unterstützen: Vergleiche und Qualitätskontrolle müssen auf solider Datenbasis möglich werden.
Keine Kürzungsdiskussion
Wir führen keine Diskussion mit dem Ziel, Leistungen zu kürzen! Die Reform soll konstruktive Antworten auf die sozialen Entwicklungen geben und sich an den Lebenslagen
der Betroffenen orientieren. Andererseits soll sie den bewährten Grundsätzen der Sozialhilfe einer menschenwürdigen Bedarfsdeckung, der Hilfe zur Selbsthilfe und des Nachrangs – Rechnung tragen. Dabei müssen die kommunalen Verwaltungen unterstützt werden, die bei
Neuregelungen wie der bedarfsorientierten Grundsicherung bei Alter und Erwerbsminderung teilweise ungenügend motiviert sind.
Gründe für den Reformbedarf
Von 1980 bis 1997 hat sich die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) verdreifacht, auf knapp 2,9 Millionen. Hauptursachen sind
Arbeitslosigkeit, geringe Erwerbseinkommen, fehlende Schul- und Berufsabschlüsse, veränderte Familienstrukturen und Überschuldung. Diese gesellschaftlichen Entwicklungen sind Herausforderungen, denen sich die Sozialhilfe – ursprünglich für einen kleinen Personenkreis in außergewöhnlichen Notlagen konzipiert – in den vergangen Jahren stellen musste und weiterhin stellen muss. Tatsache ist, dass während unserer Regierungszeit die Zahl der HLU-Bezieherinnen und -Bezieher um etwa 200.000 gesunken ist. In diesem Jahr wird sich diese Zahl durch die Einführung der bedarfsorientierten Grundsicherung weiter reduzieren. Doch dies ändert nichts am Reformbedarf!
Grundgedanke der Sozialhilfe
Die Sozialhilfe ist eine unverzichtbare Säule des Sozialstaates in Deutschland. Ihr auf dem Grundgesetz fußender Leitgedanke ist: Menschen die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Dies geschieht dann, wenn eigene Mittel,
familiäre Unterstützung oder vorrangige Sozialleistungen nicht ausreichen und der Hilfesuchende sich nicht aus eigener Kraft helfen kann. Der Rechtsanspruch auf
Sozialhilfe besteht unabhängig von der Ursache der Notlage. Sozialhilfe sichert nicht nur das für das physische Leben Erforderliche, sondern auch die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) versteht Sozialhilfe in erster Linie als persönliche Hilfe und Hilfe zur Selbsthilfe mit dem Ziel, Bezieher und Bezieherinnen zu
befähigen, unabhängig von ihr zu leben. Diese Grundsätze der Sozialhilfe haben sich – auch im europäischen Vergleich – bewährt und müssen beibehalten werden.
Dazu bietet das BSHG zwei Mittel: zum einen die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt oder die Hilfe in besonderen Lebenslagen (HBL). Die Leistungen der HBL stehen weder bei der Diskussion um Zusammenlegung von HLU und Arbeitslosenhilfe noch bei der Sozialhilfereform zur Disposition. Die HBL sichert Problemlagen wie zum Beispiel Krankheit, Schwangerschaft, Blindenhilfe oder Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ab.