
"Schau. Da vorne ist grün." Ungeduldig zeigte Benjamin Radermacher mit dem Finger nach vorne, während Saskia Wintel so tat, als ob sie Auto fahren würde. ""Das sehe ich doch", war die entnervte Reaktion der jungen Frau. Schon wollte ein kleiner Streit zwischen den beiden beginnen, da unterbrach Michael Blum das Gespräch. Benjamin Radermacher ist eigentlich kein so ungeduldiger Beifahrer, er ist der Juso-Vorsitzender im Erftkreis. Saskia Wintel ist keine aufbrausende Fahererin, sie gehört zu den Kerpener Jusos. Und Michael Blum ist kein zufälliger Streitschlichter. Er ist Kommunikationstrainer und hatte am Samstagmittag diese Szene mit den beiden jungen Politikern inszeniert – aus anschaulichen Gründen.
In den Räumen der Arbeiterwohlfahrt in Burbach hatten sich an dem Tag zwölf junge Leute, im Alter von 17 bis 27 Jahren, zu dem Seminar "Streiten will gelernt sein" getroffen. Unter der Regie von Michael Blum schlüpften sie der Reihe nach in verschiedene Rollen und spielten alltägliche Situationen nach. Anschließend besprach Blum mit der Gruppe, wie sich die Mitwirkenden verhalten hatten, welche Verhaltensmuster es gibt und wie eine bessere Kommunikation untereinander herbei geführt werden kann. "Das Beispiel mit der Autofahrt ist klassisch", sagte Blum. "Daran haben wir gesehen, dass es verschiedene Arten der Kommunikation gibt. Benjamin hätte klarer formulieren müssen, was er will." Der "nörgelnde Beifahrer" wollte schließlich nicht seine Fahrerin einfach auf die grüne Ampel hinweisen, er wollte ihr damit versteckt mitteilen, dass er es eilig hat. Die Fahrerin hätte aber gleichzeitig auch verständnisvoller reagieren können. "Daran sieht man, wie wichtig es ist, seine Wünsche klar zu formulieren", betonte Blum. "Mit Vorwürfen kommt man nicht weit." In jedem Wunsch steckt seiner Meinung nach ein oft unerfüllter Wunsch. Der Kommunikationstrainer verdeutlichte dies an einem weiteren Beispiel: "Wenn ein Ehemann spät nach Hause kommt, und seine Frau ihm die späte Uhrzeit vorwirft, reagiert er meist zornig. Wenn die Frau aber sagen würde, dass sie es schade fände, denn sie hätte sich einen netten Abend mit ihm gewünscht, würde er sich entschuldigen, und es würde kein Streit aufkommen."
Der offene Umgang miteinander ist wichtig. Das haben die Seminarteilnehmer schnell begriffen. Den jungen Leuten wurde veranschaulicht, wie wichtig es ist, klar miteinander zu kommunizieren und dem anderen Respekt entgegen zu bringen – selbst in Streitfällen. Eine ruhige und klare Formulierung ist aber nicht nur wichtig innerhalb der Familie oder des Freundeskreises. Auch für die gemeinsame Parteiarbeit ist es förderlich. "Die Gruppenmitglieder müssen untereinander zurecht kommen und sich verstehen. Das bedeutet gut leben", so Blum. "Gut leben heißt schließlich auch gut Politik machen." Benjamin und Saskia haben ebenfalls verstanden. Beide möchten das neu Gelernte sowohl für die Arbeit bei den Jusos als auch im Privatleben nutzen. Denn auch im Alltagsleben fahren die beiden häufiger zusammen in einem Auto. "Es passiert schon einmal, dass wir ins Kino gehen, obwohl wir beide eigentlich gar keine Lust haben. Aber wir haben es trotzdem gemacht, weil wir es geplant hatten und keiner dem anderen sagen möchte, dass er keine Lust auf Kino hat", erzählt Saskia. "Anschließend sind wir dann beide unglücklich über den Abend, und das kann dann schon in einem Streit enden." Die beiden wollen von nun an klar sagen, was sie wirklich unternehmen möchten.
Das Kommunikationstraining war der Auftakt zu einer Seminarreihe, die die Erftkreis-Jusos organisieren. Alle zwei Monate soll ein neues Thema behandelt werden. Für November ist ein Seminar über die Geschichte der Sozialdemokratie und die Entstehung der SPD geplant.