
Tobias Lensker will in den Computerraum. Aber er darf nicht: Stopp, kommandiert ein Mädchen. Es sitzt neben der Tür an einem Tisch, darauf liegt eine Namensliste, daneben steht ein abgeschlossener Plastikkasten mit weißen Kärtchen. Ich muss erst deinen Ausweis kontrollieren, erklärt das Mädchen, und deine Berechtigung. Tobias zieht eine weiße Karte aus einem Briefumschlag. Ein Bundesadler ist darauf gedruckt und Tobias‘ Name. Das Mädchen am Tisch vergleicht ihn mit dem Kinderausweis, dann klappt sie den Plastikkasten auf: Nimm‘ dir ’ne TAN, dann kannst du wählen.
Der Computerraum des Albert-Schweitzer-Gymnasiums ist heute ein Wahllokal. Es ist Donnerstag. Alle über 18 dürfen erst in drei Tagen wählen. Aber die Juniorwahl läuft schon. Mehr als 500 Schüler aus den Klassen sieben bis elf dürfen im Hürther Gymnasium ihre Stimme abgeben. Es gibt ein Wählerverzeichnis, Wahlbenachrichtungskarten und eine Ausweiskontrolle. Wir nehmen das ernst, betont Valerie Kirsten. Die 14-Jährige gehört zum Wahlvorstand und kontrolliert die Ausweise der Siebtklässler.
Urnen und Stimmzettel gibt es nicht im Gymnasium. Denn die Juniorwahl ist auch ein Testlauf für eine Abstimmung per Computer. Deshalb braucht Tobias die TAN, die Transaktionsnummer. Damit geht er zum Computer, der durch eine weiße Pappwand abgeschirmt ist. Auch die Juniorwahl ist geheim. Tobias muss seine Nummer eingeben, dann erscheint ein Stimmzettel auf dem Bildschirm. Der 13-Jährige klickt einen Direktkandidaten und eine Partei an.
Das Zählen übernimmt ein Computer in Berlin. Die Stimmen aus Hürth fließen ein in das bundesweite Resultat der Juniorwahl. Am Montag werden Egon Mathar und Wilhelm Günther das Ergebnis ans Schwarze Brett pinnen. Die beiden Lehrer leiten die Juniorwahl am Albert-Schweitzer-Gymnasium.
Ich habe mir schon gut überlegt, für wen ich stimme, versichert der 13-jährige Fabian Spruhs. Er hat sich im Internet durch die Parteiprogramme geklickt. Das Wahlsystem haben die Lehrer des Gymnasiums den Schülern erklärt. Über die einzelnen Parteien haben wir aber zu wenig gehört, findet Jennifer Hilse. Lehrer Wilhelm Günther nickt dazu: Die Zeit von den Sommerferien bis zur Wahl war viel zu knapp. Aber der Termin der Bundestagswahl steht fest. Und viele Erwachsene sind noch schlechter vorbereitet.
Fabian Spruhs fühlt sich gut informiert. Und er fände es schön, wenn die Stimmen der Schüler auch bei der Wahl der Großen zählen würden. Obwohl, schiebt er nach, es gibt sicher auch viele, die irgendeinen Mist ankreuzen. Tobias Lensker ist froh, dass die Wahl in der Schule nur ein Testlauf ist: Ich weiß nicht, ob ich schon so viel Ahnung von Politik habe.
Zur Testwahl trauen sich die meisten Schüler: Nur zwei oder drei pro Klasse verzichten. Wir kriegen eine Wahlbeteiligung von über 90 Prozent, schätzt Wilhelm Günther. Er und Egon Mathar sind übrigens ganz froh darüber, dass die Erwachsenen am Sonntag mit Papier und Bleistift wählen. Denn die Computer sind ein paar Mal abgestürzt.