Zum In-Kraft-Treten des Gleichstellungsgesetzes für behinderte Menschen am 1. Mai 2002 erklärt die Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion Helga Kühn-Mengel:
Die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe behinderter Menschen ist ein wesentliches Ziel unserer Politik. Unsere moderne Gesellschaft kann es sich nicht leisten, Barrieren für Menschen mit Behinderungen stehen zu lassen. In Deutschland leben zur Zeit etwa 6,6 Millionen Schwerbehinderte. Davon sind nur 4,5 Prozent – rund 300.0000 – von Geburt an behindert. Die meisten werden es im Laufe ihres Lebens – etwa durch Unfälle oder im Alter. Es kann also jeden treffen.
Unsere Reformanstrengungen in der Behindertenpolitik können sich sehen lassen. Wir haben einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik eingeleitet. Der Grundsatz Selbstbestimmung statt Fürsorge bildet dabei die Leitlinie unserer modernen Integrationspolitik. Unserem Politikverständnis entsprechend haben wir die Gesetze nicht nur für behinderte Menschen, sondern vor allem auch gemeinsam mit ihnen und ihren Organisationen entwickelt. Viele Regelungen der neuen Gesetze gehen auf ihre Anregungen zurück.
Kernstück des Gleichstellungsgesetzes ist die Herstellung barrierefrei gestalteter Lebensbereiche. Behinderte Menschen sollen zu allen Lebensbereichen einen umfassenden Zugang haben. Das umfasst neben der Beseitigung räumlicher Barrieren für Rollstuhlfahrer auch die kontrastreiche Gestaltung der Lebensumwelt für Sehbehinderte sowie die Kommunikation mittels Gebärdendolmetschern oder über elektronische Medien. Zusätzlich eröffnet es anerkannten Verbänden behinderter Menschen die Möglichkeit, direkt als Verband unabhängig von einem bestimmten Einzelfall zu klagen – Verbandsklagerecht -, um die Gleichstellung behinderter Menschen durchzusetzen.
– Das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter bindet neue Instrumente und Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik für schwerbehinderte Menschen wirkungsvoll zusammen. Bereits die Anfangsbilanz ist ausgesprochen positiv. Die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten ist deutlich zurück gegangen (Oktober 1999: 198.000, Oktober 2001: 163.000, März 2002: 163.000). Dieser Rückgang ist im Vergleich zur allgemeinen Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich.
– Ein weiterer Eckpfeiler sozialdemokratischer Behindertenpolitik ist das Sozialgesetzbuch IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Das SGB IX schafft ein neues Fundament für die Fortentwicklung von Prävention, Rehabilitation und Integration und orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. So wurde das Recht der Rehabilitation neu gefasst und die Selbstbestimmung und die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gefördert. Weitere Verbesserungen sind die Einrichtungen von gemeinsamen Service stellen der Rehabilitationsträger auf Kreisebene sowie die Erweiterung von Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten für Betroffene, Selbsthilfegruppen und Verbände.
Nachdem wir erfolgreich für die Verankerung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in der Verfassung gekämpft haben, tragen unsere Reformgesetze dazu bei, dass die Grundgesetzergänzung "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" mit Leben erfüllt wird.