Juniorwahlen statt dröger Unterricht

Ein Klassenraum bei der Juniorwahl

Die SPD möchte das Projekt "Juniorwahl" in möglichst vielen Schulen im Erftkreis
durchführen. Was sagen eigentlich die Schulleiter dazu?

Erftkreis – So eine Schülerwahl könnte ein "vernünftiger Impuls" sein, meint Helmut Kesberg, Schulleiter des Gymnasiums in Frechen. "Aber wir müssen vorher genau hinsehen, wem nützt das alles?" Parteipolitik habe nichts in der Schule zu suchen.

Keine Parteipolitik. Da sind sich der frühere SPD-Fraktionsvorsitzende im Pulheimer Rat und der FDP-Kreisvorsitzende Horst Engel einig. "Ich habe die Befürchtung, dass eine solche Probewahl parteipolitisch missbraucht wird", sagt Engel. Seine Partei sei da kompromisslos. Den Schulen solle etwas aufs Auge gedrückt werden. In der Vergangenheit hätten Lehrer zu Genüge bewiesen, dass sie durch Mittel wie Podiumsdiskussionen in der Lage seien, politisches Interesse zu wecken.

Auch Wilfried Stenger, Schulleiter des Ville-Gymnasiums in Erftstadt-Liblar, sieht die Gefahr, dass dieses Projekt parteipolitisch instrumentalisiert werden könnte. Politisches Bewusstsein könnte auch anders als durch Juniorwahlen herbeigeführt werden. So beschäftigten sich demnächst Jugendliche aus Erftstadt mit Problemen, die der Jugendhilfeausschuss der Stadt bearbeitet. Sie gründen ihren eigenen "Jugend-Jugendhilfeausschuss".

Der Berliner Vereins Kumulus, der das Projekt Juniorwahl initiiert hat, will Kinder so früh wie möglich für Politik interessieren. Schüler sollen symbolisch wählen, damit sie merken: Politik ist nicht öde. Eine Woche vor der Bundestagswahl am 22. September soll die Juniorwahl online via Internet in Deutschland ausgezählt werden.

"Die Vorbereitungen im Unterricht lassen vertieftes politisches Bewusstsein und Kenntnisse demokratischer Abläufe bei jungen Leuten herbeiführen", glaubt Guido van den Berg, stellvertretender Vorsitzender der Erftkreis SPD. Seine Partei will sich dafür einsetzen, dass Jugendliche an allen weiterführenden Schulen an einer solchen simulierten Bundestagswahl teilnehmen. Pro Schule fallen Kosten in Höhe von 500 Euro an. Der Verein "Kumulus" finanziert das Projekt nur in jeweils einer Schule pro Wahlkreis, so dass nur zwei Schulen aus dem Kreis mitmachen können. Das Kultusministerium trifft die Auswahl.

Der politische Gegner hält sich noch bedeckt. Willi Zylajew, CDU-Kreistagsvorsitzender: "Eine Einflussnahme durch Parteien muss ausgeschlossen ein." Die Grünen stellen vor allem eine Bedingung: "Das Ergebnis der Abstimmung der Schülerwahl darf erst nach der Bundestagswahl veröffentlicht werden", sagt Johannes Bortlisz-Dickhoff, Geschäftsführer des Kreisverbandes. Sonst könnten die Parteien Erfolge im Wahlkampf ausschlachten.

"Alle Parteien sollten hinter dem Projekt stehen", meint Volker Kanth, Schulleiter des Hürther Gymnasiums Bonnstraße. Grundsätzlich befürwortet er solche Aktionen, da sie eine Chance böten, Schülern das "dröge" Thema Wahlen näher zu bringen.

"Ich muss sehen, ob die Schülerwahl überhaupt in unser Unterrichtskonzept passt", sagt Ulla Sass, Leiterin der Eugen-Langen-Realschule in Elsdorf. Nach den Sommerferien seien knapp drei Wochen Zeit, um das Projekt zu bearbeiten. Außerdem stehe das Thema "Wahlen" sowieso auf dem Lehrplan.

Kommentar:

Mehr Spaß an Politik
(von Uta Böker)

Die Idee, Schüler im Unterricht den Bundestag oder auch den Stadtrat wählen zu lassen, hatten schon andere. Nicht zuletzt engagierte Lehrer, die in Klassenzimmern Urnen aufbauten. Dennoch hat das Projekt des Berliner Vereins "Kumulus" Unterstützung verdient. Denn die Jugendlichen hätten sicher wesentlich mehr Spaß an dem Rollenspiel, wenn sie dabei in einer Internetwahl tatsächlich eine Stimme abgeben könnten.

Angesichts der sinkenden Wahlbeteiligung darf keine Chance ausgelassen werden, das Interesse am politischen Geschehen zu steigern. Das dürfte auch im Sinne der demokratischen Parteien sein. Deshalb sollten alle Parteien den Versuch unterstützen, Jugendliche mit moderner Technik an die Politik heranzuführen. Denn es ist seit längerem bekannt, dass die Parteibüros nicht gerade von jungen Leuten überlaufen sind. Die Klage über schwindendes Interesse ertönt aus allen politischen Richtungen.

Andererseits darf eine verheißungsvolle Unterrichtsmethode nicht zu Wahlkampfzwecken missbraucht werden. Die SPD sollte nicht länger in Schulen für die Juniorwahl werben, ohne sich vorher um einen Konsens zu bemühen. Sonst kommt der Verdacht auf, den Sozialdemokraten geht es nicht so sehr um die Sache, als vielmehr darum den politischen Gegnern einen Erfolg zu nehmen. Denn in Zeiten niedriger Wahlbeteiligung sind die Stimmen junger Leute besonders wichtig.