„Lennartz mischt sich nicht ein“

Welche Note er sich selbst für die ersten 100 Tage gäbe? Der 59-Jährige druckst eine Weile herum – "Ich bin doch immer so kritisch" -, ringt sich dann aber doch durch: "Zwei minus." Einsen habe er noch nie vergeben, flachst er, sich selbst würde er, man ist ja bescheiden, eine solche Traumnote ohnehin nicht zusprechen. Aber insgesamt, findet Krings, habe er seine Sache schon "gut" gemacht. Und das "Minus" hinter der "Zwei"? Nun, das sei zwar nicht auf seinem Mist gewachsen, aber leider nicht weg zu diskutieren: Den waagerechten Balken gibt’s für die personelle Ausstattung in der SPD-Kreisgeschäftsstelle zu Beginn seiner Amtszeit am 10. November.

Da habe er nämlich, zu seiner Überraschung, erst einmal ohne Personal da gestanden. Dass der langjährige Geschäftsführer Engelbert Seuren schon längst bei der SPD in Euskirchen angeheuert hatte, hatten die lieben Genossen im Erftkreis Krings nämlich bis zum Zeitpunkt seiner Wahl verschwiegen – aus durchaus edlen Motiven, wie der neue Chef im Nachhinein glaubt. Seine Parteifreunde hätten ihn wohl in der Phase des Kampfes mit Guido van den Berg um den Vorsitz nicht verrückt machen wollen.

Wie auch immer. Seuren weg, die zweite Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle auch, weil sie vor ihrem schon länger geplanten Wechsel in einen anderen Job noch jede Menge Resturlaub abfeiern musste – für Krings begann der Start als Einzelkämpfer "ohne politischen Apparat, der die Arbeit unnötig erschwert hat".

Mittlerweile sind die Dinge aber wieder im Lot, versichert der Kerpener. 2,5 Stellen sind nun in der Geschäftsstelle besetzt, an der Spitze der neue Geschäftsführer Günter Freitag. Und die Arbeit im Vorstand laufe nun auch bestens. "Wir haben als Team sehr schnell zur politischen Arbeit gefunden", resümiert Krings, "und die Themen für den Bundestags-Vorwahlkampf formuliert". Sein Stellvertreter van den Berg kümmere sich zusammen mit der Bundestags-Kandidatin Gabi Frechen um die Familienpolitik, Kassierer Bernhard Hadel und die Kreistagsfraktion um Sozialpolitik, er selbst um das Thema Wirtschaft und zusammen mit seiner weiteren Stellvertreterin Susanne Welter um Innere Sicherheit. Nur für Schule und Bildung "suche ich noch einen", sagt Krings. Das hatte ursprünglich die im vergangenen Jahr gestorbene Landtagsabgeordnete Annette Breitbach-Schwarzlose in die Hand nehmen sollen. Der Frechener Landtagsabgeordnete Hardy Fuß sei mehr der Mann für Umweltfragen, und den Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, den Erftstädter Edgar Moron, "kann ich nicht akquirieren, der hat zu wenig Zeit", beschreibt Krings die Personalnöte.

Wie die Themen im Wahlkampf und in der Zeit danach inhaltlich gefüllt werden sollen, darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. In der Wirtschaftspolitik möchte der Vorsitzende, der ja auch noch in Düsseldorf als Abgeordneter aktiv ist, "neue regionale Stärken suchen". Krings meint damit weniger das von Landrat Werner Stump vorangetriebene "weiche Thema Tourismus", sondern etwa das weite Feld der Wasserwirtschaft. Da böten sich in Zukunft eine Menge Chancen, so könne die Politik zum Beispiel den Betreibern von Kläranlagen, etwa dem Erftverband, zur Seite stehen, wenn es darum gehe, auf dem europäischen Markt Fuß zu fassen.

Auch in der Logistikbranche, mit den vielen im Erftkreis beheimateten Speditionen, sieht Krings Zukunftschancen: "Die Holländer stauben in Venlo mit ihrem Umschlagzentrum zurzeit alles ab." Ein solches Zentrum könne doch auch an der A 61 entstehen – zum Umladen und Verteilen von Gütern, spekuliert Krings.

"Eine Verschärfung der Gangart" schwebt ihm bei der Inneren Sicherheit vor. Ein Beispiel: die Lockerung der gesetzlichen Vorschriften bei der Videoüberwachung. Die sei momentan nur sehr eingeschränkt möglich. Dabei binde der Objektschutz – etwa für das Türkische Generalkonsulat in Hürth – jede Menge Polizeibeamte. Bei einer neuen Gesetzeslage wären mehr Beamte "für das Einsatzgeschehen da", die Polizisten wären im Alltag präsenter und könnten so das Sicherheitsbedürfnis der Bürger befriedigen.

Nicht nur inhaltlich, auch organisatorisch will sich die Erftkreis-SPD neu positionieren. Stichwort: Abschaffung des Delegiertensystems. Momentan laufe eine Umfrage unter den 5000 Mitgliedern darüber, ob künftig auf Parteitagen alle Mitglieder entscheiden können: "Ich habe Sympathien für den Mitgliederentscheid", bezieht Krings schon jetzt eindeutig Position. Im Schatten seines Vorgängers, des 26 Jahre amtierenden Klaus Lennartz, sieht Krings sich schon längst nicht mehr. "Klaus Lennartz mischt sich nicht mehr ein", stellt der neue Parteichef klar. Anfangs habe es "einige Verkrampfungen" gegeben. "Es war doch jedem klar, dass er sich eine andere Nachfolgelösung vorgestellt hat", sagt Krings, und meint damit, dass Lennartz lieber van den Berg als Parteichef und Dierk Thimm statt Gabi Frechen als Bundestagskandidatin gesehen hätte. "Nun aber ist es ein unverkrampftes Verhältnis", gibt Krings sich versöhnlich. "Lennartz meldet sich bei mir, wenn er einen Vorschlag hat." Will heißen: Die Hackordnung scheint ein für allemal geklärt.

Daher steht für ihn nach den ersten 100 Tagen auch außer Frage: "2003 trete ich wieder an."