Im Erftkreis wird es womöglich bald eine weitere Milliarden-Investition geben: Nach dem über zwei Milliarden
Mark teuren BoA-Kraftwerk, das zurzeit in Niederaußem gebaut wird, könnte etwa bei DEA in Wesseling eine Summe von zwei Milliarden Mark in die Errichtung eines Naphtha-Crackers, in dem Rohstoffe für die Kunststoffproduktion aufbereitet werden, gesteckt werden.
Das schloss NRW-Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold auf dem SPD-Unterbezirksparteitag in Erftstadt im Gespräch mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" nicht aus. Der Bau eines solchen Großcrackers sei "zwingend erforderlich", sagte Schwanhold.
Naphtha entsteht bei der Verarbeitung von Rohöl und wird zu Raffinerie- oder Chemiebenzin verarbeitet, erläuterte DEA-Sprecher Dr. Herbert Prior auf Anfrage. Um es zu Chemiebenzin zu verarbeiten, muss es in einem Ofen auf
rund 800 Grad erhitzt werden.
Dabei werden die Moleküle des Rohbenzins zerstört (gecrackt). Die kleingehackten Moleküle, Propylen und Ethylen, sind Rohstoff für die Kunststoffindustrie.
Die wiederum habe einen hohen Bedarf an diesen Rohstoffen, der mit den vorhandenen und in der Regel technisch veralteten Crackern nicht gedeckt werden kann. Der Cracker bei DEA etwa hat eine Kapazität von 500 000 Tonnen im Jahr. Der neue soll eine Kapazität von einer Million Tonnen haben.
"Natürlich würden wir gern den Cracker haben", sagte Prior, aber zum Beispiel Basell (früher ROW) in Wesseling oder die EC Erdölchemie in Worringen hätten ihn auch gern.
Laut Schwanhold werde zurzeit von den großen Chemie- und Versorgungsunternehmen über den Bau eines Gas- oder eines Naphtha-Crackers nachgedacht. Als Standort kommt die Kölner Region oder das Ruhrgebiet in Frage.
Sollte es zu einer Entscheidung für den Naphtha-Cracker kommen, sei es sinnvoll, ihn in einer Raffinerie zu bauen,
also in der Region Köln. Mittelfristig seien sogar zwei Cracker nötig, sagte der Minister.
Er habe das Thema gerade mit den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen erörtert, die selbst keine Cracker errichten wollten, aber an die Propylen- und Ethylen-Pipeline angeschlossen werden möchten. Ein Vorteil der Kölner Region: Die Infrastruktur, sprich Wasserwege und Pipelines, ist vorhanden.
Für Gerd Hengsberger, Leiter des Bezirks Köln der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE),
der sich für den Cracker stark macht, hat der Erftkreis gute
Chancen, den Zuschlag für die Anlage zu erhalten.
"So etwas kann nur an eine Raffinerie kommen", ist der
Gewerkschafter überzeugt. Würde die Kunststoffindustrie über Pipelines aus dem Ruhrgebiet versorgt, schlügen die Transportkosten negativ zu Buche.
Das Ruhrgebiet solle besser in einem anderen Chemiebereich gefördert werden, meint Hengsberger. SPD-Kreisvorsitzender Klaus Lennartz setzt sich ebenfalls für eine Investition im Erftkreis ein.
Er habe bereits Gespräche mit Firmen aus der Region geführt und werde in Kürze alle großen Betriebe aus der Region an einen Tisch bringen. Nötig sei ein Verbund von Energie- und Chemieunternehmen. Denn eine Investition in dieser Größenordnung ist für ein Unternehmen allein schwer zu schultern.