Eröffnungsrede
des Vorsitzenden der Erftkreis-SPD und Bundestagsabgeordneten Klaus Lennartz
zum
Innovationskongress Erftkreis
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
ich darf Sie heute auf das allerherzlichste zum dritten Innovationskongress der Erftkreis-SPD hier im Info-Center des Goldenbergwerks in Hürth begrüßen.
Wir befinden uns hier an einem Ort, der nicht besser geeignet sein könnte, die gelungene Verschmelzung von Tradition und Moderne, in diesem Kreis zu dokumentieren.
Dort die klassische Old Economy Braunkohle, Energie und Chemie, die das Gesicht des Erftkreises über
Jahrzehnte hinweg entscheidend
mit geprägt und vielen Menschen zu Brot und Arbeit verholfen haben. Das gilt auch noch heute.
Und hier die New Economy.
Das Gründerzentrum Fehler! HÜRTH inmitten des Technologieparks, in dem sich seit der Gründung 1998 fast 70 Unternehmen aus den Branchen Biotechnologie, Chemie, Informations- und Kommunikationstechnologie, Transport und Handwerk angesiedelt und gut 750 Arbeitsplätze geschaffen haben.Und schaut man von diesem Knapsacker Hügel herunter, so sehen wir auf eine
bunte Medienlandschaft und auf zahlreiche Betriebe aus der Informations- und Kommunikationstechnologie, die sich mit über 1000 Firmen und 12.000 Arbeitsplätzen in und um Hürth herum eindrucksvoll präsentiert.
Eine Stätte also, die anschaulich den Strukturwandel im Erftkreis und darüber hinaus von der „old economy„ zur Informations- und Wissensgesellschaft dokumentiert.
Dieser erfolgreiche Wandel spiegelt sich auch in Zahlen wieder:
Primärsektor:1980 : 12,08 % (12.170 Beschäftigte)
1998 : 7 % (7.711)
Sekundärsektor:1980 :
Sekundärsektor:1980 : 50,1 % (47.302)
1998 : 35,4 % (38.980).
Der Tertiärsektor, also der Dienstleistungsbereich, verzeichnete einen rapiden Beschäftigungszuwachs von 37 Prozent ( 34.930) in 1980 auf sage und schreibe 57 Prozent (63.415) in 1998.
Eindrucksvoller lässt sich der vollzogene Strukturwandel im Erftkreis wohl kaum belegen.
Aber, meine Damen und Herren,
trotz dieser positiven Entwicklung brauchen die Unternehmen eine innovationsfördernde Politik mit
intelligenten Rahmenbedingungen.
Denken wir beispielhaft an die Softwareentwicklung. Eine Branche, in der unerwartet viele neue Betriebe und Jobs entstanden sind.
Allein in Deutschland beschäftigen über 19.000 Softwareschmieden ca. 2,8 Millionen Menschen bei einem Umsatz von 55,5 Milliarden Mark in 1999.
Kaum ein Betrieb – sei es der Handwerksmeister um die Ecke oder die Automobilbranche – kommt heute ohne Software aus. Von der Produktion angefangen bis hin zur Personalplanung. Insgesamt ist der deutsche Markt
für
Informations- und Kommunikationsleistungen 1999 um 9,4 Prozent von 195 Milliarden Mark auf über 215 Milliarden Mark angewachsen. Bereits 2003 wird die IT-Branche laut Schätzungen die 300-Milliarden-Schwelle überspringen. Sie wird damit zum größten deutschen Wirtschaftszweig.
Eine gewaltige Innovationsleistung.
Aber sie könnte noch bedeutend höher ausfallen, wenn die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen auf die Bedürfnisse der IuK-Branche insgesamt zugeschnitten werden.
Hierzu nur einige Beispiele:
1. Wir müssen aufpassen, dass nicht durch voreilige Brüsseler Patentierungsentscheidungen Entwicklungen behindert werden.
Derzeit liegt ein Vorschlag des Europäischen Patentamtes vor, Computersoftware in die Liste der zu patentierenden Erfindungen verbindlich einzubeziehen (Art. 52 EPÜ).
Die Realisierung dieser Initiative hätte weitreichende negative Auswirkung auf die Innovationsdynamik und die Wettbewerbchancen der schnelllebigen deutschen (und
europäischen) Softwareindustrie.
Anrede,
hohe Kosten und Marktzutrittbarrieren wären die Folge und würden eine florierende IT-Landschaft strangulieren und die Gründerkultur im Keim ersticken.
Wird die Patentpflicht für Software zur festen Einrichtung, so ist das eine Waffe gegen deutsche Entwickler für die noch größten amerikanischen Marktführer.
Ein solcher „Software-Stalinismus„ muss von deutscher Seite energisch abgelehnt werden. Denn die Märkte von
morgen sind die Märkte der Ideen. Die Gedanken, auch die zu Software geronnenen, müssen weitestgehend frei bleiben.
Anrede,
2. Wir müssen im Bereich des Datenschutzes die alten Zöpfe aus den 70ern abschneiden.
Ein Reformprozess der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen ist absolut notwendig, ein Reformprozess der Vertrauen schafft und schneller abläuft, als man dies bislang von politischen Reformprozessen gewohnt ist. Das Internet zwingt uns,
Strukturen aufzubrechen. Denn wir leben nicht mehr in einer Besitzstandsgesellschaft, wo wir uns lange Zeiträume leisten können.
Denn, meine Damen und Herren, wer kauft schon im Internet, wenn man nicht weiß, welcher Missbrauch mit den eigenen Daten betrieben wird?
Wer vernetzt sich schon im Rahmen von B2B mit anderen Firmen, wenn man nicht sicher sein kann, dass das gesamte Know-how durch „Datenklau„ gefährdet wird?
· Daher muss es erstens zu einer klaren
Gesetzregelung zum Thema
Gesetzregelung zum Thema Rahmenbedingungen
für elektronische Signaturen kommen.
· Zweitens darf es zu keiner zusätzlichen Besteuerung für den Internet-Handel kommen.
· Und drittens darf der nationale Datenschutz nicht zu einer Handelsbarriere werden, weil Datenschutz immer auch ein Wettbewerbsfaktor ist.
Und, meine Damen und Herren, das ist auch bitter nötig. Längst entstehen quasi vor unserer Haustür in den osteuropäischen Ländern die nächsten Hochburgen
der digitalen Wirtschaft.
der digitalen Wirtschaft. Von dort aus wird ein noch stärkerer Druck ausgehen, die Rahmenbedingungen des Multimedia-Standortes Deutschland und einen Ordnungsrahmen für den Bereich des eCommerce zu definieren und zu gestalten.
3. Zu vernünftigen Rahmenbedingungen gehören auch steuerrechtliche Fragen.
Handlungsbedarf sehe ich bei der Besteuerung von Aktien-Optionen für Mitarbeiter eines Unternehmens.
Diese Frage nach der Besteuerung von Stock Options kann aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden. Der erste
Blickwinkel ist derzeit durchaus gängig. Er bewertet die erlöste Wertsteigerung als Arbeitsentgelt und unterwirft diese daher den gleichen Regelungen wie alle anderen Lohn- und Gehaltsbestandteilen.
Diese Sichtweise mag bei etablierten Firmen durchaus Sinn machen. Bei neu gegründeten, konzernunabhängigen Unternehmen erscheint sie mir nicht gerechtfertigt. Denn diese Betrachtungsweise wird dem hinter dem Unternehmen stehenden Risikoprofil in keinster Weise gerecht.
Unberücksichtigt bleibt dabei auch die neue Kultur der Unternehmen, die nicht in erster Linie auf Lohnempfänger
setzt, sondern auf Mitarbeiterbeteiligung.
Daher müssen in unserem Steuerrecht neue Anreize im internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte geschaffen werden.
Ich denke da beispielsweise an eine niedrige 7,5-prozentige Pauschalbesteuerung von Mitarbeiteraktien. Gewinne daraus sollten zudem nicht mehr wie normaler Arbeitslohn, sondern wie Wertzuwächse von privatem Aktienbesitz behandelt werden.
Meine Damen und Herren,
4. Ein weiterer elementarer Punkt betrifft den gesamten
Bereich der Bildung und Ausbildung in der IT-Branche. Der momentane Fachkräftemangel von ca. 100.000 Computerspezialisten in Deutschland ist mehr als ein Alarmsignal.
Deutschlandweit müssen daher traditionelle Bildungsinstitutionen gestärkt und die Entstehung neuer innovativer Bildungsträger- und -laufbahnen gefördert werden, wenn wir den Fachkräftemangel mittelfristig beseitigen wollen.
Meine Damen und Herren,
notwendig erscheint mir eine Reform der IT-
-Ausbildungswege, die beispielhaft auch „training-on-the-job„ als zeitgemäße Art der Ausbildung anerkennt.
5.Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Infrastrukturförderung. Um hier international den Anschluss nicht zu verpassen, muss die Internet-Durchdringung massiv erhöht werden. Dazu ist es unerlässlich, die Zugangskosten zu senken (flat-rate).
Meine Damen und Herren,
wir müssen sicherstellen, dass jeder in diesem Land zu einer monatlichen Pauschale, die nicht höher als etwa die Fernsehgebühr sein sollte,
ins Netz gehen kann. Erst dann können wir ernsthaft und glaubwürdig von der Informations- und Wissensgesellschaft hierzulande sprechen.
Anrede,
den oft angeführten Gegensatz zwischen der Old und der New Economy gibt es eigentlich gar nicht. Es darf ihn auch gar nicht geben. Vielmehr müssen sie sich gegenseitig befruchten.
Denn die klassischen Großunternehmen treiben massiv die Entwicklung im Internetbereich an, weil sie auf das Know-How der New Economy angewiesen sind. Und die
New Economy sollte vor allem nicht vergessen, dass die „alten Riesen„ die Kunden und vor allem das Kapital besitzen.
Deswegen lassen Sie uns gemeinsam dazu beitragen, dass Deutschland den Takt angibt und der Erftkreis dabei eine führende Rolle einnimmt. Mit neuen Ideen und frischem Mut.
Egal, wo der Zug beispielsweise beim I-commerce hinführt, welche Lösungen, ob m-commerce oder t-commerce sich auch durchsetzen werden, wir müssen diesen Zug steuern und im Führerhäuschen sitzen.
Im Erftkreis sind neue Wege beschritten worden. Auf dem Gebiet der Telemedizin entwickeln wir beispielsweise gemeinsam mit der Deutschen Luft- und Raumfahrt die elektronische Patientenkarte und –akte, basierend auf einer einheitlichen Kommunikationsplattform, die deutschland- und europaweit genutzt werden kann.
Im Erftkreis hat das erste bundesweit existierende Kompetenzzentrum für IT-Berufe seine Arbeit aufgenommen. Eine Medienschule ist gegründet und soll zu einer Fachhochschule für Medien ausgebaut werden. Ein Zentrum für Hochbegabte ist ebenfalls ins Leben
gerufen worden und ich könnte mir durchaus vorstellen, die erste Fachhochschule für Informations- und Kommunikationstechnologien in NRW in unserer Region anzusiedeln.
Anrede,
lassen Sie uns doch diese Wege gemeinsam weitergehen und mit fünf IT-Unternehmen hier im Erftkreis die Initiative „Kreativer Erftkreis„ starten. Hier geht es darum, ein sogenanntes Erftkreis-Semester für die jenigen anzubieten, die ein Studium in Kommunikationsbereichen absolvieren. Diese Studenten haben dann während
dieses Erftkreis-Semesters den Zugang zu fünf Firmen.
Die Durchläufe durch diese fünf Firmen sind voll auf einander abgestimmt und helfen den Studenten, bereits frühzeitig Schwerpunkte bei der Studienplanung zu setzen. Die Firmen haben die Chance, relativ früh an interessante Mitarbeiter zu kommen.
Anrede,
lassen Sie uns an unserer Zukunft gemeinsam arbeiten. Hierzu wünsche ich Ihnen von der heutigen Veranstaltung viele neue Ideen und Anregungen.
Denn Sie wissen ja: Wer nichts erfindet, verschwindet.