Nach Recht und Gesetz

In einem Brief an Bürgermeister Walther Boecker erläutert Landrat Werner Stump die aufsichtsbehördliche Entscheidung, die Wahl von Herrn Gerd Fabian zum Beigeordneten der Stadt Hürth zu beanstanden. Machen Sie sich selbst ein Bild:

"Der Rat der Stadt Hürth hat in seiner Sitzung am 07.11.2000 Herrn Gerd Fabian für die Dauer von 8 Jahren mit Wirkung vom01.01.2001 zum Beigeordneten der Stadt Hürth gewählt. Der Geschäftsbereich des Dezernates umfasst das Schul- und Sportamt, Kulturamt, Sozialamt, Jugendamt und Liegenschaftsamt. Sie haben mit Schreiben vom 08.11.2000 den Ratsbeschluss gem. §10 Abs. 2 LBG NRW angezeigt und um Mitteilung gebeten, ob Bedenken gegen die Aushändigung der Ernennungsurkunde bestehen.

Unter Berücksichtigung der Verfügung der Bezirksregierung Köln vom 08.11.2000 haben Sie mit Schreiben vom 14. und 16.11.2000 ergänzend berichtet und festgestellt, dass Sie nicht die Absicht haben, den Ratsbeschluss bzw. die Wahl nach §54 Abs. 2 GO NRW zu beanstanden.

Den Beschluss bzw. die Wahl und insbesondere das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen nach § 71 Abs. 3 Satz 1 GO NRW wie auch nach den Ausschreibungsvorgaben habe ich im Hinblick auf § 10 Abs. 2 LBG NRW aufgrund der mir vorliegenden Fachliteratur, Rechtsprechung sowie der Vorgaben in der Verfügung der Bezirksregierung Köln vom 08.11.2000 geprüft.

Nach der Prüfung bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wahl des Herrn Fabian im Hinblick auf § 71 Abs. 3 Satz 1GO NRW wie auch die Ausschreibungsvorgaben rechtlich vertretbar ist.

Das Ergebnis meiner Prüfung habe ich der Bezirksregierung Köln, wie von ihr vorgegeben, mit Bericht vom 23.11.2000 dargelegt.

Mit Verfügung vom 04.12.2000 hat die Bezirksregierung Köln festgestellt, dass der Beschluss bzw. die Wahl geltendes Recht verletzt. Die Bezirksregierung hat mich daher zugleich angewiesen, Ihnen die Weisung zu erteilen, den Beschluss des Rates der Stadt Hürth vom 07.11.2000 über die Wahl von Herrn Fabian zum Beigeordneten der Stadt Hürth gem. § 54 Abs. 2 GO NRW zu beanstanden, da der Ratsbeschluss gegen § 71 Abs. 3 Satz 1 GO NRW verstößt.

I.

Nach § 71 Abs. 3 Satz 1 GO NRW müssen die Beigeordneten der Städte und Gemeinden die für ihr Amt erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen und eine ausreichende Erfahrung für dieses Amt nachweisen.
Der Gesetzgeber hat damit ausdrücklich auf bestimmte Qualifikationen -wie sie z.B. von Laufbahnbewerbern erwartet werden- verzichtet, gleichwohl hält er die in § 71 GO NRW genannten Mindestqualifikationen für unverzichtbar.

Ob diese Qualifikation für ein Amt vorliegen, muss nach der Rechtsprechung des VG Düsseldorf (Urteil vom 23.02.1967 in Kottenberg, Steffens, Henrichs, Rechtsprechungssammlung zum kommunalen Verfassungsrecht, Entscheidung Nr. 7 u § 49 GO NW-a.F.-) nachgewiesen werden. Das VG Düsseldorf hält es bei der Prüfung für bedeutsam, ob ein Bewerber für ein konkretes Amt („für dieses Amt „) die erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllt und eine ausreichende Erfahrung nachweist.

Ein Bewerber muss daher neben den allgemeinen persönlichen Voraussetzungen aufgrund seines bisherigen Werdegangs und seiner beruflichen Tätigkeit fachliche Kenntnisse und Fertigkeiten erworben sowie Erfahrungen gesammelt haben, die ihn befähigen, die betreffende Stelle wie ein fachlich vorgebildeter Beamter auszufüllen. Das notwendige Fachwissen und Können sind insbesondere durch eine Tätigkeit in der praktischen Verwaltung nachzuweisen. Eine langjährige Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister oder Ratsmitglied vermag den Nachweis der erforderlichen Qualifikation allein nicht zu erbringen. Vielmehr muss der Bewerber aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit den ihm gestellten Aufgaben gewachsen sein.

II.
Der Rat der Stadt Hürth hat in der Ausschreibung für das in Rede stehende Amt eine Persönlichkeit mit fundierten Fachkenntnissen gesucht. Die vom Gesetzgeber geforderten Fachkenntnisse hat der Rat der Stadt Hürth somit in zulässiger Art und Weise erweitert, diese Selbstbindung muss auch bei der Prüfung berücksichtigt werden. Das Erfordernis der fachlichen Voraussetzungen ist zwar nicht mit Fachkenntnis gleichzusetzen, gerade aber die Geschäftsbereiche Schule, Jugendamt und Sozialamt machen in der Tat ein hohes Maß an Spezialkenntnissen und Spezialerfahrungen unumgänglich.

Aufgrund seines beruflichen Werdegangs kann Herr Fabian die geforderten Fachkenntnisse nicht vorweisen. Herr Fabian ist seit Abschluss seines Fachhochschulstudiums, das er als Diplom-Ingenieur -Fachrichtung „Industrielle Produktionstechnik" -abgeschlossen hat, als Sicherheitsingenieur bei verschiedenen Firmen tätig gewesen. Dies sind allesamt keine Tätigkeiten, die den Nachweis erbringen können, dass er die für das Amt notwendigen und fundierten Fachkenntnisse sowie Einsicht in Verwaltungsgeschehen erworben hätte. Dem von ihm dargelegten Werdegang lassen sich daher keine Anhaltspunkte entnehmen, die die Erfüllung der fachlichen Voraussetzungen belegen.

III.
Ferner hat der Rat der Stadt Hürth in der Ausschreibung Erfahrungen mit der Leitung größerer Verwaltungseinheiten erwünscht. Damit ist er ganz offensichtlich von der zutreffenden Auffassung ausgegangen, für die ausgeschriebene Führungsaufgabe könne die notwendige Erfahrung nicht entbehrt werden. Diese Erfahrung schließt Personalführung sowie Beherrschung von Verwaltungstechnik und Verwaltungsarbeit mit ein, diese Erfahrung muss allerdings nicht im öffentlichen Dienst erworben sein. Gleichwohl ist der bisherige berufliche Werdegang von Herrn Fabian nicht geeignet, die Voraussetzungen für das Amt zu schaffen und den Nachweis zu erbringen, dass er das Amt wie ein fachlich vorgebildeter Beamter auszufüllen vermag. Eine selbständig führende Tätigkeit hat er bisher nicht ausgeübt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass er auf Stellen eingesetzt war, die besondere Verantwortung erforderten. Insbesondere war seine Tätigkeit bislang nicht im Wesentlichen ausführende Verwaltungsarbeit.

Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 GO NRW kann die Aufsichtsbehörde den Bürgermeister anweisen, Beschlüsse des Rates, die das geltende Recht verletzen, zu beanstanden.

Die Voraussetzungen nach § 119 Abs. 1 Satz ! GO NRW sind nach dem zuvor Gesagten gegeben.

Der Kommunalaufsicht steht bzgl. des Beanstandungs- und Aufhebungsrechts nach den Grundsätzen des Opportunitätsprinzips ein Ermessensspielraum zu. Die Aufsichtsbehörde hat im vorliegenden Fall also nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie einen rechtswidrigen Beschluss beanstanden will oder nicht. Dabei sind Schwere und Auswirkungen des Rechtsverstoßes maßgeblich zu berücksichtigen, nicht jedoch Gesichtspunkte der politischen Opportunität.

Die Kommunalaufsichtsbehörde hat sich bei der Ausübung dieses Ermessens zunächst an dem Zweck der das Ermessen einräumenden gesetzlichen Regelungen zu orientieren. Durch die Kommunalaufsicht soll die Erfüllung gemeindlicher Pflichten sichergestellt und dafür Sorge getragen werden, dass die Gemeinden im Einklang mit den Gesetzen verwaltet werden (§§ 1, 116 GO NRW).

Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Aufgabe der Kommunalaufsicht hat die Aufsichtsbehörde daher regelmäßig Veranlassung dazu, auf die Beseitigung eines Rechtsverstoßes in geeigneter Weise hinzuwirken.

Es liegt auch eine hinreichend eindeutige Rechtsverletzung, wie oben ausgeführt, vor. Die Prüfung der Rechtslage ist nicht unkompliziert, aber im Ergebnis nach der aufsichtsbehördlichen Prüfung nicht mit Unklarheiten behaftet.

Die Feststellung der Rechtsverletzung darf jedoch nicht zu einem gleichsam automatischen Eingreifen der Aufsichtsbehörde führen.

Besondere Umstände, die ein Untätigbleiben der Aufsichtsbehörde angezeigt erscheinen lassen, liegen nicht vor. Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn der festgestellte Rechtsverstoß selbst oder seine Auswirkungen nur geringfügiger Natur sind.
Derartige Umstände vermag ich jedoch vorliegend im Hinblick auf die Stellung und Funktion des Beigeordneten einerseits und die beamtenrechtlichen Bindungen anderseits nicht festzustellen.

Die vorliegende Anordnungsverfügung ist dazu geeignet, die Rechtsverletzung durch den Wahlbeschluss zu beheben bzw. ein dahingehendes Verfahren einzuleiten. Da der Bürgermeister nicht beabsichtigt, den Wahlbeschluss selbst nach § 54 Abs. 2 GO NRW zu beanstanden, ist die Maßnahme erforderlich, zeitlich auch im Hinblick auf die Fristvorgabe nach § 10 Abs. 2 LBD NRW."