Bürgermeister Walther Boecker und Mitglieder der Arbeitskreise
Wirtschaft und Planung der Hürther SPD besuchten das weltweit operierende Medienunternehmen Aquest in Hürth-Efferen. Als fachkundiger Landespolitiker nahm Marc Jan Eumann (MdL), stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD
im Düsseldorfer Landtag und medienpolitischer Sprecher der Fraktion an dem Treffen seiner Hürther Parteifreunde teil.
Hans Dreijer, einer der beiden Geschäftsführer, lud die Gruppe ein, einen genauen Blick in die Produktionsstätten des Unternehmens zu werfen und die Arbeitsvorgänge kennen zu lernen. "Wir bieten im Bereich Postproduktion für Kino, TV und Werbung einen beinah kompletten Service an," erklärte Dreijer
seinen Zuhörern, während er sie durch einzelne Betriebsäume führte. Vom Cutting am Computer, über digitale Sprechaufnahme, Vertonung und Mischung bis hin zum Geräuschemachen und Nachsynchronisieren – Dreijer stand in allen Bereichen den interessierten Besuchern Rede und Antwort. Anschauliche
Erläuterungen und Demonstrationen an den Computern gaben den Besuchern Gelegenheit, sich ein umfassendes Bild von der Arbeit bei Aquest machen. Was ehemals eine Fabrikhalle war, zeigte sich jetzt als eine sehr moderne Arbeitsstätte, die die Kreativität der Mitarbeiter anregt. Beeindruckend war die Tätigkeit des Geräuschemachers, die mit Hilfe von Metallstücken und einem Reissack erzeugten Geräusche wirken auf der fertigen Aufnahme vollkommen naturgetreu.
Im Anschluss an die Besichtigung folgte eine angeregte Diskussion. Diesmal stand Herrn Dreijers Partner Oscar Verhoeve – den Kommnalpolitikern aus Hürth und Herrn Eumann (MdL) Rede und Antwort.
In einem Gespräch des SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Hans-Günter Reiners mit Hans Dreijer und Jan Marc Eumann werden die medienpolitischen Zielsetzungen des Hürther Unternehmens und die des Sprechers der SPD-Fraktion im Landtag deutlich.
Reiners:
Wie kann sich Ihrer Meinung nach Hürth als Medienstandort gegen Köln behaupten?
Hans Dreijer:
Hürth sollte nicht versuchen, sich gegen Köln zu behaupten. Lediglich durch eine gute Zusammenarbeit der beiden Medienstandorte hat die Region in diesem Bereich eine dauerhafte Chance. Ich hoffe, dass Köln-Ossendorf ein Erfolg wird, denn nur dann können wir in Hürth überleben. Umgekehrt genau so!
Marc Jan Eumann:
In Hürth gibt es kreative Köpfe und beste Vorraussetzungen, um die Kölner Region als wichtigsten Medienstandort in Nordrhein-Westfalen zu stärken.
Dafür müssen wir es schaffen, kommunale und regionale Eifersüchteleien zu überwinden. Es ist großartig, was bisher in Hürth geschaffen wurde. Wenn man versuchte, hin und her zu ziehen, dann werden wir langfristig das Nachsehen im internationalen Wettbewerb haben.
Reiners:
Was muss die Landespolitik tun, um die Medienbranche voran zu bringen?
Hans Dreijer:
Ich glaube, es wird viel zu viel subventioniert; damit sollte vorsichtiger umgegangen werden. Zunächst muss eine Logistik aufgebaut und Grundstücke zur Verfügung gestellt werden. Ein Unternehmen besonders stark zu subventionieren und anderen dafür gar nicht, ist nicht förderlich. Ich bin nicht für Subventionen, da das der Firmenmotivation schaden könnte. Zudem sollten Ausbildungsmöglichkeiten weiter ausgebaut werden, damit wir eine
Auswahl an qualifizierten Fachkräften bekommen.
Marc Jan Eumann:
NRW ist Medienland Nummer 1 in Deutschland. Hier ist viel auf den Weg gebracht worden. Jetzt geht es darum, nach dem Aufbruch vernünftig in eine Phase der Konsolidierung und Nachhaltigkeit einzutreten. Die Landesmedienpolitik hat die Aufgabe, neue Akzente zu setzen und die Weichen zu stellen. Das machen wir durch die Gründung der Media NRW GmbH, um dort eine Abstimmung zu erreichen und dadurch Nachhaltigkeit zu erzielen. Wir
haben gegenüber traditionellen Standorten wie München oder Berlin noch ein Defizit im Bereich der Qualifizierung. Dort gilt es anzusetzen. Deshalb haben wir in vielen Bereichen wie z.B. in Hochschulen und Fachhochschulen bereits
Fortschritte erreicht. Und: Wir haben eine Verabredung in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung, dass wir IT-Akademien gründen, die oberhalb der dualen Berufsausbildung, aber unterhalb einer universitären Ausbildung liegen. Die ersten Akademien, wo schneller und spezifischer gelernt werden soll, sind in Vorbereitung.
Schließlich werden mit der Novellierung der Landesmediengesetze in NRW Rahmenbedingungen geschaffen, die so offen sind, dass Unternehmen hier gute Voraussetzungen finden, sich in Nordrhein-Westfalen zu engagieren.
Reiners:
Welche Bedeutung hat die Filmstiftung NRW für die Medienbranche im
Land?
Hans Dreijer:
Eine sehr wichtige. Aber auch die Filmstiftung kann nur dann funktionieren, wenn man in der Lage ist, das Produkt auch zu bearbeiten. Man bekommt ja nur
für das, was man in Nordrhein-Westfalen macht, eine Förderung. Doch da fehlen noch einige Dinge in der gesamten Infrastruktur. Die muss erst aufgebaut werden, um dann erst die Filmstiftung so richtig ans Laufen zu bekommen.
Dennoch: Bis jetzt hat sie dafür gesorgt, dass sehr viele Kunden – nicht nur nationale Kunden, sondern auch internationale Kunden – hier nach NRW kommen, um Beiträge zu drehen: Größere Projekte sind leider derzeit nur teilweise möglich. Das muss verbessert werden. Die Filmstiftung ist sehr gut, auch für
unsere Firma, weil dadurch Kunden angeworben werden, was u.a. wichtige Kontakte schafft.
Marc Jan Eumann:
Sie ist eine der Schlüsselinstitutionen, die das Land NRW nach vorne
gebracht haben. Auch da vollzieht sich langsam ein Wechsel, denn der
langjährige Leiter der Filmstiftung verlässt NRW. Dieser große Verlust zeigt aber zugleich die Chance auf, die Filmstiftung neu auszurichten, auf breitere Füße zu stellen. Einen solchen Prozess vollziehen wir gerade, indem neue Gesellschafter an die Filmstiftung herangeführt werden. Daraus versprechen wir uns eine Stärkung, denn die Filmstiftung ist die erfolgreichste Film- und Fernsehförderung in der BR Deutschland und bleibt sie auch im nächsten Jahr.
Finanziell gesehen geht es der Filmstiftung prächtig. Das kommt einerseits vom WDR, andererseits vom Land und vom ZDF. In Zukunft werden auch noch weitere Partner wie z.B. RTL und der Pro7-Gruppe sich an ihr beteiligen.
Jede Fördermark führt zu mindestens 3.- DM Ausgaben in Nordrhein-Westfalen.
Das heißt: Da gibt es kaum Mitnahme-Effekte. Die Film- und Fernsehförderung ist sehr stabil. Praktisch alle wichtigen Kinoproduktionen der letzten Jahre, wie beispielsweise der Film "Lola rennt", sind auch mit Mitteln der Filmstiftung erfolgreich an den Kino-Leinwänden gezeigt worden.
Reiners:
Welche Bedeutung hat die Medienbranche für die
Arbeitsmarkt-Situation?
Hans Dreijer:
In der Branche werden viele Menschen gebraucht. Wenn die Leute vernünftig ausgebildet werden und diese Industrie – wie vorher erwähnt – gepflegt wird, dann werden dadurch in den nächsten Jahren weiterhin viele Arbeitsplätze entstehen.
Bei den Fernsehsendern oder auch in der Kinofilm-Branche werden Mitarbeiter für diverse Arbeiten immer gesucht. Wir versuchen auch neue Leute zu gewinnen, indem wir Unternehmen wie "Arri" nach Hürth holen. Damit wollen wir einen neuen Bereich kreieren, den es hier zur Zeit noch gar nicht gibt -den Visual-Effects-Bereich. Deswegen hat sich "Arri" jetzt hier angesiedelt und wird sich auch weiter ausweitern.
Marc Jan Eumann:
Die Medien- und Telekommunikationsbranche ist eine der großen
Wachstumsbranchen. Die Dynamik, die dieser Arbeitsmarkt beinhaltet, sieht man daran, dass in diesem Bereich in NRW mehr Menschen beschäftigt sind als in Kohle- oder Stahlindustrie. Mit einer verbesserten Qualifikation wollen wir dort mehr Nachhaltigkeit erzielen. Dadurch, dass wir die ausgezeichnete Vernetzung von Telekommunikation, Kabel zu Anbietern vorfinden, haben wir
gute Voraussetzungen unsere Position zu stärken. Man stelle sich einmal die Frage, wie die Arbeitsmarkt-Situation in Hürth ohne die "Medienstadt Hürth" wäre?!